Die Rache der Zwerge
die Formeln, trat zurück und gab Dergard ein Zeichen, der daraufhin den Rest der Prozedur vollendete und das blaue Leuchten in blassgelbes umwandelte.
Durch die Magie wurde das abgestorbene Fleisch abgestoßen und fiel als alte, vertrocknete Haut rechts und links auf die Laken. Die Löcher, welche die Pfeile geschlagen hatten, schlössen sich und verwuchsen. Nur die helleren Stellen verrieten, wo sich vor wenigen Augenblicken drei Wunden befunden hatten.
»Es ist vollbracht«, atmete Dergard auf und nickte Lot-Ionan zu.
»Allein hätte es keiner von uns beiden vollbracht«, sagte der ältere Magus und lächelte. »Sehen wir es als gutes Zeichen, dass unsere erste gemeinschaftliche Arbeit Früchte trug.« Er trat wieder an das Bett heran. »Wecken wir ihn auf.«
Ingrimmsch nahm die Schüssel mit Wasser und leerte sie dem Elben ins Gesicht. »Ho, wach auf! Du hast lange genug geschlafen«, rief er heiter.
Der Elb öffnete tatsächlich ruckartig die Augen, sah den grinsenden Zwerg und rutschte nach hinten, nur um den Kopf gegen den Bettrahmen zu schlagen; die andere Hand langte an die Hüfte, wo er sonst wohl seine Waffe trug.
»Keine Angst, Freund«, sagte Tungdil auf Elbisch. »Wir fanden dich in den Hainen Älandurs. Du trugst drei Pfeile deines eigenen Volkes in dir. Wir nahmen dich mit und brachten dich nach Weyurn, um dich zu pflegen.« Er deutete auf seinen Ziehvater.
»Das ist Lot-Ionan der Geduldige, und daneben steht Dergard der Einsame. Die Magi haben dir dein Leben bewahrt.« Dann nickte er ihm zu. »Ich bin Tungdil Goldhand. Kannst du uns berichten, was dir widerfahren ist?« »Tungdil Goldhand?«, rief der Elb erleichtert. »Dann bin ich in guter Gesellschaft! Ich bin Esdalän, Hüter des Haines der Rache.«
»Was hat er gesagt?«, grummelte Ingrimmsch. »Sag ihm, er soll so sprechen, dass wir ihn alle verstehen können, Gelehrter.«
»Sind denn alle, die um uns herum stehen, deines Vertrauens würdig?«, fragte ihn Esdalän in seiner Sprache, der die Worte des Zwergs verstanden hatte.
Tungdil schaute ihn an. »Sprich Elbisch. Ich werde später entscheiden, wer wie viel deiner Worte vernehmen darf.«
Er wischte sich über das Gesicht, danach begann er mit seiner Erzählung. »Ich bin Esdalän, Baron von Jilsbon und ein guter Freund von Liütasil.« Er schluckte. »Mein Fürst ist tot.«
»Das wissen wir bereits. Er starb im Kampf gegen eines der Scheusale, als er den Diamanten verteidigen wollte.«
Esdaläns Gesicht verdüsterte sich vor Zorn. »Damit täuschen sie euch also! Sie machen euch weis, dass er gegen die Kreaturen der Unauslöschlichen gefallen ist.« Er senkte die Stimme. »Liütasil wurde ermordet. Schon vor vier Zyklen.«
XIII
Das Geborgene Land, Königinnenreich Weyurn, Insel Windspiel, 6241. Sonnenzyklus, Spätsommer.
Esdalän atmete tief ein, nachdem er diese unglaubliche Wendung verkündet hatte. Es nahm ihn sichtlich mit, darüber zu berichten. »Sie haben es vor uns allen geheim gehalten und immer neue Ausreden erfunden, um sein Verschwinden zu vertuschen, bis sie ihre Gefolgsleute überall positioniert hatten. Dann schlugen sie zu und rotteten die letzten Vernünftigen meines Volkes aus.«
Die Ungeheuerlichkeit, die Tungdil eben erfuhr, verschlug ihm die Sprache. »Sie?«, krächzte er. »Wer sind sie?« »Die Eoil Atär, die Getreuen der Eoil. Es ist eine Gruppe von Eiferern, welche die Eoil beinahe als göttergleich betrachten und sie knapp unter Sitalia stellen. Sie waren damals diejenigen, die von Liütasil verlangt hatten, sich der Eoil anzuschließen und gemeinsam mit ihr und ihrem Heer gegen die Geschöpfte Tions und Samusins im Geborgenen Land zu ziehen. Liütasil hatte sich geweigert und ihnen befohlen, nichts zu tun.« »Das klingt, als hätten sie es doch getan?«
»Ja. Sie sandten heimlich Boten zu der Eoil, um mit ihr zu sprechen und zu erfahren, wie sie ihr beistehen könnten. Was genau die Eoil ihnen sagte, weiß niemand außer den Eoil Atär. Seitdem trachten sie danach, die Macht in Älandur an sich zu reißen, um die Elben wieder zu dem reinen Volk zu machen, das es einst gewesen ist und das nichts Böses um sich herum duldet, so wie es die Eoil tat.«
In Tungdil durchbrach die Erkenntnis gleich einem Rammbock die letzten Schranken des Verstehens. Sie tönte in ihm wie der Schall eines Signalhorns: Die Heiligtümer, die neuen Bauten, die er und Ingrimmsch bei ihrem Aufenthalt bei den Elben gesehen hatten, das alles ging auf die Anweisungen der Eoil zurück!
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