Die Rache des Chamäleons: Thriller
ganze Gesicht. Die vier Männer nähern sich Peter, sie gleiten heran, ihre Jacketts flattern im Wind, die Hosenbeine, Wasser spritzt um ihre Schuhe, sie laufen an Ball spielenden Menschen vorbei, alles ganz normal, ein dicker Mann versucht in einer ausrollenden Uferwelle zu versinken, sie laufen an dem Dicken vorbei, sie laufen an allen vorbei, niemand dreht sich nach ihnen um, niemand ruft, niemand zeigt auf sie, nur der fröhliche Bierverkäufer hat sie bemerkt. Er lächelt immer noch in weiter Ferne. Er winkt. Als die Männer nur noch wenige Meter von Peter entfernt sind, breitet sich auf Jesús’ weißem Hemd ein roter Fleck aus, dehnt sich bis zu seiner Brust aus, Blut pumpt aus seiner Brust, er läuft weiter, seine Beine bewegen sich wie vorher, seine Männer laufen neben ihm her wie vorher. Niemand sieht es, nur Peter. Einer der Leibwächter hat Blut im Gesicht, Blut an der Schulter. Die Männer lachen, lachen, jetzt haben sie die Volleyball spielende Gruppe erreicht, sie laufen unter dem Netz hindurch, Jesús an der Spitze, mitten durch das Spiel, niemand reagiert, niemand dreht sich nach ihnen um, sie hinterlassen eine rote Spur im Sand. Aber niemand reagiert, nur Peter reagiert. Jemand muss ja reagieren. Er schreit. Schreit.
Jemand versetzt ihm einen harten Schlag auf den Arm.
Er versucht sich zu schützen.
»Nein«, schreit er. »Nein!«
»Peter? Peter! Wach auf.«
Eine bekannte Stimme.
»Peter!«
Er öffnet die Augen. Sie sitzt vor ihm, sie liegt nicht mehr im Schatten. Einige Leute schauen in ihre Richtung, eine junge Frau hält einen Ball in der einen Hand, einen lächerlich großen Schläger in der anderen.
»Ich muss wohl eingenickt sein«, sagt er.
»Und bist mitten in einem Alptraum gelandet«, sagt sie.
Am Strand ist es ruhig, keine Leichen, kein Blut, keine Sirenen, kein Krankenwagen. Die Gruppe spielt Volleyball, als ob sich nichts Außergewöhnliches in ihrem Strandleben ereignet hätte.
»Es ist nicht gut, wenn man in der Sonne einschläft«, sagt Rita.
Er sieht die Bierdose im Sand, hebt sie auf und trinkt. Das Bier hat sich erwärmt, ist aber immer noch ein wenig kühl.
Es ist später Nachmittag auf der Avenida. Peter steht in einem der langen Schatten.
Die Limousine gleitet heran. Die hintere Tür wird geöffnet.
Aitor trägt ein schwarzes Hemd, kein Jackett. Peter trägt ein beigefarbenes Hemd und eine weiße Leinenhose. Sein Gesicht ist rot.
»Du warst am Strand«, stellt Aitor fest, als die Limousine weitergleitet. »Du musst vorsichtig sein mit der Sonne.«
»Fahr zur Hölle.«
Aitor lacht auf.
»Das klingt schon vertrauter.«
Sie fahren über ansteigende Straßen in Richtung Norden. Zwischen den weißen Gebäuden ist es menschenleer. Es ist Siesta.
»Durch diese Straßen sind wir als junge Männer gegangen«, sagt Aitor. »Wie du siehst, hat sich nichts verändert.« Er lacht wieder. »Es ist immer noch heiß.«
»Es ist unmöglich«, sagt Peter.
»Was ist unmöglich?«
»Montañas umzubringen. Das ist nicht machbar. Ich kann es nicht machen.«
»Darüber reden wir später.«
»Später? Gibt es denn noch mehr zu besprechen?«
Die Limousine fährt über das Autobahnviadukt. Die schneebedeckte Spitze des Sierra Blanca leuchtet auf halbem Weg in den Himmel. Halbwegs in den Himmel und halbwegs in die Hölle, denkt Peter. Linkerhand sieht er eine große Busstation. Die hat es früher nicht gegeben.
Sie fahren weiter nach Norden, auf die Berge zu. Die Landschaft ist braun und rot, wie ein Körper, der schutzlos der Sonne ausgesetzt war. Das ist die Hölle. Es ist ein zum Tode verurteiltes Land, denkt er.
Ein einsamer Bauer auf einem Feld schaut ihnen nach, als sie vorbeifahren.
»Guck dir den armen Teufel an«, sagt Aitor.
»Er versucht wenigstens, eine anständige Arbeit zu machen.«
»Er könnte mein Vater sein«, sagt Aitor. Sein Gesicht ist hart geworden. »Ich komme aus den Bergen. Mein Vater wurde ans Meer vertrieben. Wir kommen alle aus den Bergen. Niemand hat uns eine Chance gegeben. Niemand. Wir wurden gezwungen, an die Küste in ein fremdes Land zu ziehen.« Er macht eine Handbewegung, die Sonne und Erde umfasst. »Hier bekommt man nie eine Chance. Man muss sie sich selber nehmen.«
»Ich kenne deine Geschichte, Aitor. Du hast sie mir erzählt.«
»Ich habe sie nicht zu Ende erzählt. Man kann sie nicht zu Ende erzählen.«
»Wohin sind wir unterwegs?«
*
Die Limousine parkt am Straßenrand. Der Fahrer lehnt an der Motorhaube und raucht. Der
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