Die Rache des Chamäleons: Thriller
ein anderer Gast im Korridor, sie schaut nicht hin, es ist ihr egal, es ist zu warm, sie hat schon wieder Durst, obwohl sie kurz vorm Verlassen des Strandes etwas getrunken hat.
Der Vorraum liegt im Halbdunkel.
Sie lässt die Basttasche mit den Badesachen auf den Steinfußboden fallen und schüttelt die Sandalen von den Füßen. Dann geht sie in die Küchenecke. Die Appartementtür steht immer noch halb offen.
Sie erwarten sie im Schlafzimmer. Wie sollte sie das ahnen? Hinter ihr gleitet ein Schatten zur Tür herein. Es ist der Gast aus dem Korridor. Sie hört nichts.
Sie öffnet die Kühlschranktür, bückt sich nach einer Plastikflasche mit Orangensaft und richtet sich auf.
Ein Paar Hände legt sich um ihren Hals und auf den Mund.
Ihre Hände werden mit vehementer Kraft auf den Rücken gezogen.
Ich muss ruhig bleiben ich muss ruhig bleiben ich muss ruhig bleiben.
Sie sieht nichts anderes als das Meer dort draußen es stürzt ihr entgegen alles stürzt ihr entgegen.
Die Flasche prallt auf den Boden, der Saft spritzt auf wie Sonnengeglitzer. Sie spürt die Flüssigkeit auf den Lippen, die sich mit dem Salz mischt, es schmeckt bitter.
Die Flasche kreiselt unter ihren Füßen, die wie in Spasmen zehn Zentimeter über dem Fußboden zucken. Sie schwebt über dem Boden.
*
Jesús Maria Montañas kommt in Begleitung einer Frau in seinem Alter aus dem Entree der Bank. Sie hat ihn untergehakt. Ihnen folgt ein Mann in schwarzem Anzug. Die kleine Gruppe bewegt sich rasch auf ein schwarzes Auto auf dem Parkplatz zu. Der Fahrer wartet neben dem Wagen. Er öffnet die hintere Tür. Die Frau steigt ein. Der Fahrer geht um das Auto herum, öffnet die Tür auf der anderen Seite, und Jesús steigt ein. Der Mann in dem schwarzen Anzug setzt sich neben den Fahrer, und das Auto gleitet hinaus auf die Straße.
Sie fahren durch das Zentrum und weiter in östlicher Richtung an dem Hotel, am Grundstücksamt, Tankstellen, Bars, Restaurants, Kaufhäusern vorbei. In der Nähe der alten Verkehrsinsel, die die Stadtgrenze markiert, biegt das Auto ab und fährt weiter einen Hügel hinauf, biegt nach rechts ab und hält vor einem niedrigen Gebäude von den Ausmaßen eines halben Wohnblockes. Man erkennt auf den ersten Blick, dass es sich um eine Schule handelt. Sie ist in fröhlich bunten Farben gestrichen, auf dem von einem hohen Zaun umgebenen und von Palmen beschatteten Schulhof gibt es Spielgeräte, Rutschbahnen, Schaukeln, ein Piratenschiff.
Die Frau steht neben dem Auto. Die hintere Tür ist offen. Auf dem Rücksitz schimmert Jesús’ Gesicht.
Ein Mädchen von etwa zehn Jahren winkt, als es durch die Pforte kommt. Die Frau lächelt und winkt zurück.
»Esmeralda!«
Die letzten Meter rennt das Mädchen, die Frau beugt sich hinunter, umarmt es und gibt ihm einen Kuss.
»Papa ist mitgekommen«, sagt die Frau.
Das Mädchen steigt ins Auto, die Frau folgt ihr.
Das Auto fährt weiter die Straße hinauf, über das Autobahnviadukt, vorbei an der Busstation, dann durch die Landschaft über den einzigen Weg, der in die Berge hinaufführt.
Nach etwa fünf Kilometern erreicht es eine kleine Ansammlung weißer Villen, die wie weiße Zuckerstücke in der toten Landschaft verstreut liegen. Die Häuser sind von Zäunen, Palmen und Rasenflächen umgeben, die neongrün leuchten. Wenn die Villen eine kleine Stadt bilden, dann sind die Ziegelschuppen am Rand ihre Vorstädte. Einige Gestalten hacken in der Erde. Staub hüllt sie ein wie Rauch. Eine mittelalterliche Szene. Hier ist der Asphalt noch nicht angekommen. Er reicht nicht einmal ganz durch die weiße Stadt.
Die Männer, die die Szene vom Felsen aus beobachten, erinnert das Auto an ein Insekt, das langsam über die vertrocknete Erdkruste kriecht. Von oben sieht das Auto aus wie ein Käfer, der einzige, der den letzten Krieg überlebt hat, eine Kakerlake.
Einer der Männer zündet sich eine Zigarre an. Während unten Stille herrscht, sind hier oben die Winde zu hören. Ein Vogel schreit, und ein anderer Vogel antwortet ihm. Die Zikaden bringen sich für ihr abendliches Konzert in Stimmung.
Das Auto dort unten hält vor einem Anwesen. Langsam gleitet das Eisentor auf, das den Zugang zum Grundstück versperrt. Ein Mann hinter dem Tor beaufsichtigt es. Das Auto fährt wieder an, rollt um das Rondell herum und hält vor dem Portal der Villa, das von Pfeilern und Palmen flankiert wird. Es kann römischer Stil sein, griechischer Stil, maurischer, vielleicht alles zusammen, der Stil des
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