Die Rache des Chamäleons: Thriller
Vergangenheit.
»Wie geht es Aitor?«
»Er kommt durch. Sagen die Ärzte.«
»Ich dachte, ich würde nicht durchkommen.«
Er bewegt seinen Arm. Dort hat er einen Schlag abbekommen. Sein ganzer Körper fühlt sich stumm und wund an, als wäre er in eine längere Schlägerei verwickelt gewesen, eine Zeitlupenschlägerei.
»Warum hast du so lange gewartet?«, fragt er.
»Wir sind rechtzeitig gekommen.«
»Rechtzeitig?«
»Einige von uns waren schon vor euch hier.«
»Das hätte ich mir denken können. Aber ich frage mich, warum du so lange gewartet hast, einzugreifen?«
»Ich habe zugehört, dir und Aitor. Es war interessant.«
Peter schweigt. Er sieht Rita an. Sie wendet den Blick ab. Er sieht die Wand hinter ihr, sie ist leer. Die Wand hinter Jesús ist mit dem Kunstwerk von der Freiheit bedeckt. Es ist auch noch da, als Jesús auf Aitors Platz sitzt.
»Drei Millionen Dollar«, sagt Jesús sanft.
»Eine Lüge. So war es nicht. Und das weißt du, Jesús.«
Jesús antwortet nicht gleich. Er schaut Peter sehr lange an, der schließlich den Blick abwendet, zu einem Fenster. Draußen kriecht die Morgendämmerung heran. Worauf zum Teufel wartet sie?
»Dein Unternehmen hatte einen glänzenden Start«, sagt Jesús.
Er sieht Rita an. Sie setzt sich gerade hin.
»Sind Sie verletzt, Señor Montañas?«
»Nenn mich Jesús.«
Er bewegt seine Schultern ein wenig vor und zurück. Er hebt die Arme.
»Nur ein paar blaue Flecken, wo die Blindpatronen die Beutel getroffen haben.«
Er zieht eine Grimasse.
»Schweineblut«, sagt er. »Dabei esse ich gar kein Schweinefleisch.« Er lacht. »Aber das hat nichts mit Religion zu tun.«
»Womit hat es zu tun, Jesús?«, fragt sie.
»Ich brauche kein Schweinefleisch zu essen, wenn es Fisch und Schalentiere gibt«, sagt er, »oder?«
»Nein«, sagt sie.
»Dies ist der beste Ort der Welt für Fisch und Schalentiere.«
»Finden die Fische und Schalentiere das auch?«, fragt sie.
Er bricht in Gelächter aus.
»Ich mag dich«, sagt er.
Sie antwortet nicht.
»Naiara mag dich.«
Er sieht Peter an, ohne noch etwas hinzuzufügen. Peter schaut aus dem Fenster. Jetzt kann er das Meer sehen, es schält sich aus der Dunkelheit heraus. Er bildet sich ein, es zu hören, es übertönt das Rauschen in seinen Ohren. Aber vielleicht hört er auch nur das Rauschen in seinem Kopf. Es wird immer eine Erinnerung bleiben.
»Die Blindpatronen haben richtig weh getan«, sagt Jesús.
Peter schweigt. Jesús lässt ihn nicht aus den Augen.
»Bitte sieh mich an.«
Peter schaut ihn an. Er sieht ein ernstes Gesicht. Das Lachen von eben ist aus dem Haus geweht, weg über den Sand. Es wird nie mehr zurückkommen, denkt er. Erst in Estepona hält es an.
»Hast du die Angst in meinen Augen gesehen?«, fragt Jesús. »Dort, am Strand.«
»Hast du die Angst in meinen gesehen?«
»Du beantwortest eine Frage mit einer Gegenfrage.«
»Du hast deine Antwort bekommen. Ich hatte genauso viel Angst, mehr sogar. Das habe ich doch eben gesagt. Stell dir vor … ich hätte die falsche Pistole bekommen.«
»Das hast du vielleicht«, sagt Jesús.
»Wie meinst du das?«
»Du verstehst, was ich meine.«
»Im Moment verstehe ich gar nichts.«
Jesús lehnt sich zurück. Er schließt die Augen. Er sieht immer noch jung aus, denkt Peter. Er ist der, der er immer gewesen ist. Sein Gesicht verrät es.
»Ich habe mich auf dich verlassen«, sagt Jesús und öffnet die Augen. »Aber ich gestehe, für den Bruchteil einer Sekunde … Als der erste Schuss abgefeuert war … Als ich nicht wusste, was auf mich zukommt. Verstehst du?«
»Nein.«
»Ich glaube, du verstehst es, mein Freund.«
»Hier nennen mich alle ihren Freund.«
»Du hattest viele Freunde hier.«
»Du sprichst in der Vergangenheit.«
»Nichts bleibt, wie es ist.«
»Wirklich?«
»Ich bin nicht dein Freund … Peter. Du bist jetzt Peter. Du hast deinen Namen geändert.«
»Ich habe alles geändert. Ich bin ein anderer geworden.«
»Ist das ein Geständnis?«
»Von was?«
»Zum Beispiel des Heroindiebstahls im Wert von drei Millionen Dollar.«
»Das ist Aitors Phantasie, Jesús, nicht deine.«
»Was ist meine Phantasie?«
»Nenn es, wie du willst.«
»Ich nenne sie Vision.«
»Was ist der Unterschied zwischen Vision und Phantasie?«
»Visionen werden wahr.« Jesús lächelt. »Wenn man nur fest genug an sie glaubt.«
»Du bist ein harter Mann.«
»Manchmal.«
»Du bist immer hart gewesen. Selbst als wir noch jung waren, warst du
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