Die Rache des Marquis
gewohntes Leben zurückkehren – und er würde wieder wie gewohnt den Damen nachstellen.
Es war sehr wichtig, ihn glauben zu machen, daß er sie beschützte. Nur so vermochte sie für seine Sicherheit zu sorgen. Seine Überzeugung von der Unterlegenheit aller Frauen, vermutlich aus der Existenz vier kleiner Schwestern gewonnen, erleichterte Jades Plan. Außerdem baute sie auf ihre Männer, die sie bei Caines Landsitz erwarteten. Sie versteckten sich im Wald ringsum und würden Caine ohne sein Wissen Rückendeckung geben.
Die Briefe standen im Mittelpunkt des Manövers, und jetzt wünschte Jade inständig, sie hätte sie nie gefunden. Aber was geschehen war ließ sich nicht ändern. Und es erschien ihr sinnlos, Reue zu empfinden. Damit würde sie nur Gedanken und Gefühle verschwenden. Und es lag ihr fern, irgend etwas zu vergeuden. Sie mußte ihren Weg gehen. Als sie ihrem Bruder Nathan die Briefe des Vaters gezeigt hatte, war der Stein ins Rollen gekommen. Sie hatte sich diese Suppe eingebrockt und würde sie auch auslöffeln.
Jetzt verdrängte Jade ihre Sorgen. Unwillkürlich hatte sie Caine Zeit zum Nachdenken gegeben. Und das Schweigen konnte ihr Feind werden. Sie mußte Caine daran hindern, irgendwelche Schlüsse zu ziehen, und mußte ihn beschäftigen. »Was …«, begann sie.
»Still, meine Süße«, befahl er. »Hören Sie das?«
»Dieses seltsame Quietschen? Ich wollte es gerade erwähnen.«
»Es ist eher ein hartnäckiges Knirschen … Miller!« rief er durch das Fenster. »Halten Sie an!«
Ruckartig blieb der Wagen stehen, als das linke Hinterrad zerbrach. Jade wäre zu Boden gefallen, hätte Caine sie nicht umarmt. Einige Sekunden lang drückte er sie an sich, dann flüsterte er: »Ein schlecht gewählter Zeitpunkt, nicht wahr?«
»Oder ein erfolgloser Trick.«
Diese Bemerkung würdigte er keiner Antwort. »Warten Sie im Wagen, ich werde sehen, was ich tun kann.«
»Seien Sie vorsichtig!« warnte sie. »Vielleicht lauert Ihnen irgendwer auf.«
Seufzend öffnete er die Tür. »Gut, ich werde aufpassen.«
Sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte, stieß Jade sie wieder auf und kletterte hinaus. Der Kutscher stand neben seinem Arbeitgeber. »Ich begreife das nicht, Mylord. Vor jeder Fahrt überprüfe ich die Räder.«
»Es ist nicht Ihre Schuld, Miller«, entgegnete Caine. »Der Wagen steht weit genug am Straßenrand, so daß wir ihn über Nacht hierlassen können. Schirren Sie das Pferd los. Ich …« Er unterbrach sich, als er Jade und den Dolch in ihrer Hand entdeckte. Beinahe hätte er gelacht. »Stecken Sie das Ding wieder weg, Mädchen. Sie werden sich womöglich verletzen.«
Sie schob die Waffe in ihre Kleidertasche. »Caine, wir geben prächtige Zielscheiben ab.«
»Dann setzen Sie sich wieder in die Kutsche«, schlug er vor.
Sie tat so, als hätte sie nichts gehört. »Miller, hat sich jemand an diesem Rad zu schaffen gemacht?«
Der Fahrer hockte sich neben die Achse. »Das nehme ich an. Schauen Sie, Mylord – die Einschnitte am Radkreuz …«
Jade wandte sich zu Caine. »Was tun wir jetzt?«
»Wir reiten auf dem Pferd.«
»Und der arme Miller? Wenn wir ihn hier allein lassen, werden diese Schurken über ihn herfallen.«
»Das ist schon in Ordnung, Miß«, warf der Kutscher ein. »Meine Brandyflasche wird mich warm halten. Ich setze mich in den Wagen und warte, bis Broley mich holt.«
»Wer ist Broley?«
»Einer von den Tigern.«
Jade wußte nicht, wovon Miller redete. »Sie sind mit einem Tiger befreundet?«
Caine grinste. »Broley arbeitete für mich. Das erkläre ich Ihnen später.«
»Wir sollten eine Droschke mieten«, meinte sie. »Dann könnten wir alle zusammen fahren und müßten uns nicht um Miller sorgen.«
»Um diese Zeit finden wir bestimmt keine Droschke.«
»Und was ist mit Monks gemütlicher Taverne? Warum warten wir nicht dort, bis es hell wird?«
»Nein. Monk hat die Kneipe sicher schon zugesperrt und ist heimgegangen.«
»Außerdem sind wir schon ziemlich weit weg vom ’Taugenichts’, Mylady«, warf Miller ein.
Während er das Pferd losmachte, griff Jade nach Caines Hand und trat näher zu ihm. »Ich glaube, ich weiß, was mit dem Rad geschehen ist. Es müssen dieselben Männer gewesen sein, die …«
»Still, alles wird wieder gut.«
»Wie können Sie das wissen?«
Ihre Stimme klang verängstigt, und er versuchte sie zu beruhigen. »Das verraten mir meine Instinkte«, prahlte er. »Meine Süße, Ihre Phantasie geht wieder mal mit
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