Die Rache des Marquis
erwiderte er fröhlich, drückte sie fast freundschaftlich an sich und fügte hinzu: »Eher wie verfaultes Schweinefleisch als wie ein toter Fisch.« Jade würgte, und er preßte rasch eine Hand auf ihren Mund. »Wenn Sie jetzt Ihr Abendessen ausspucken, werde ich sehr böse. Ich habe schon genug Ärger mit Ihnen, also sollten Sie die Situation nicht zusätzlich komplizieren.«
Sie biß ihn in die Hand, was mit einem Fluch quittiert wurde, aber Caine ließ sie wenigstens los. »Ich habe nichts zu Abend gegessen, weil ich mit leerem Magen sterben wollte.«
»Vielleicht werden Sie trotz allem sterben«, murmelte er. »Seien Sie jetzt still und lassen Sie mich nachdenken.« Doch dann konnte er sich die Frage nicht verkneifen. »Warum zum Teufel wollten Sie mit leerem Magen sterben?«
»Manchen Leuten wird übel, wenn sie sich fürchten. Ich dachte, das könnte mir auch passieren – vor Ihren Augen … Ach, reden wir nicht mehr darüber. Ich wollte einfach nicht in völlig besudeltem Zustand vor meinen Schöpfer treten, das ist alles.«
»Ich hätte nicht fragen sollen. Kommen Sie jetzt. In Lyons Haus können Sie ein heißes Bad nehmen. Dann werden Sie sich besser fühlen.«
»Ist Lyon der Freund, den Monk erwähnt hat – der, der sich in alles einmischt?«
»Lyon mischt sich nie in etwas ein.«
»Monk sagte, Lyon würde herausfinden, was in dieser Nacht geschehen ist. Das klingt doch nach Einmischung.«
»Sie werden Lyon mögen.«
»Wenn er Ihr Freund ist, hege ich da gewisse Zweifel. Aber ich werde versuchen, ihn zu mögen.«
Schweigend setzten sie ihren Weg fort. Caine war jetzt auf der Hut, und Jade machte sich nicht halb so viele Sorgen, wie sie vorgab. Nach einer Weile fragte sie: »Was tun wir, wenn wir gebadet haben?«
»Dann werden Sie sich hinsetzen und mir alles erzählen, was Ihnen widerfahren ist.«
»Das habe ich bereits getan. Aber Sie glauben mir nicht, was?«
»Nein«, gab er zu.
»Sie sind nun mal gegen mich eingenommen, Caine, also werden Sie gar nichts glauben, was ich Ihnen sage. Warum sollte ich mich dann überhaupt noch bemühen?«
»Ich bin nicht gegen Sie eingenommen«, protestierte er. Er war merklich irritiert und beschloß, sich in keinen neuen Streit verwickeln zu lassen. Er führte Jade durch ein weiteres Labyrinth aus Hintergassen, und als sie die Eingangsstufen eines imposanten roten Ziegelhauses erreichten, fühlte sie sich so erschöpft, daß sie beinahe echte Tränen vergossen hätte.
Caine klopfte beharrlich an die Tür, bis sie von einem Riesen mit unheimlicher Narbe auf der Stirn geöffnet wurde. Offensichtlich hatte der Mann geschlafen und war sichtlich ungehalten über die Störung. Jade warf nur einen kurzen Blick auf sein mürrisches Gesicht, dann rückte sie näher zu Caine heran. Der Mann, den sie für Lyon hielt, trug nur Kniehosen. Seine beängstigende Miene verwandelte sich sofort in einen Ausdruck ehrlicher Überraschung, als er den Besucher erkannte. »Caine? Was um Himmels willen … Kommt rein!« Er trat vor, in der Absicht, Caines Arm zu nehmen, dann besann er sich abrupt anders. Offenbar hatte er bemerkt, wie die beiden ungeladenen Gäste rochen.
Verlegen sah Jade ihren Begleiter an, um zu bekunden, daß sie ihm die alleinige Schuld an ihrem peinliche Zustand gab. Dann betrat sie die Halle mit dem schwarzweißen Fliesenboden. Eine schöne Frau eilte eine gewundene Treppe herab, langes silberblondes Haar wehte hinter ihr her. Sie sah so bezaubernd aus, daß Jade sich noch elender fühlte.
Hastig machte Caine alle miteinander bekannt, während Jade zu Boden starrte. »Lyon und seine Frau Christina – und das ist Jade.«
»Was ist denn mit euch beiden passiert?« fragte Lyon.
Da hob Jade den Kopf und schüttelte nasse Haarsträhnen aus den Augen, wobei mehrere Tropfen auf die polierten Fliesen fielen. »Er hat mich in die Themse geworfen.«
»Er hat – was?« Lyon mußte sich ein Grinsen verkneifen, denn soeben hatte er in Jades verfilztem Haar etwas entdeckt, das wie ein abgenagtes Hühnerbein aussah.
»Caine hat mich in die Themse geworfen«, wiederholte sie.
»Tatsächlich?« rief Christina verblüfft.
Jade wandte sich zu ihr. »O ja. Und danach hat er nicht einmal um Verzeihung gebeten.« Plötzlich brach sie in Tränen aus. »Alles ist seine Schuld! Erst hat er sein Wagenrad verloren, dann seine Instinkte. Und mein Plan war viel besser. Aber das wollte er einfach nicht einsehen.«
»Fangen Sie nicht schon wieder damit an!« warnte
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