Die Rache des Marquis
sofort wieder zusammen, als sie einen widerlich fauligen Geschmack wahrnahm.
Energisch gelobte sie sich, nicht in dieser Kloake zu ertrinken. Nein, sie würde am Leben bleiben – zumindest, bis sie ihren neuen Beschützer wiederfand und ihn ertränken konnte. Etwas streifte ihr Bein, und sie wurde von schrecklicher Angst erfaßt. In ihrer Verwirrung bildete sie sich ein, Haie hätten es auf sie abgesehen.
Dann schlang Caine einen Arm um ihre Taille, die starke Strömung riß sie beide unter die Brücke, weg von den Feinden, die nach ihnen suchten. Jade versuchte auf Caines Schultern zu klettern, und er befahl: »Halten Sie still!«
Verzweifelt umklammerte sie seinen Hals. »Die Haie, Caine!« flüsterte sie. »Die werden uns schnappen!«
Der Würgegriff verriet ihm, wie nahe sie daran war, den letzten Rest Fassung zu verlieren. »Hier gibt’s keine Haie. Nichts könnte in diesem Wasser überleben.«
»Sind Sie sicher?«
»Ja. Ein bißchen müssen Sie sich noch zusammenreißen, meine Süße. Bald können wir aus dieser Jauche steigen.«
Seine sanfte Stimme beruhigte sie ein wenig. Sie erdrosselte ihn immer noch beinahe, aber der Griff hatte sich etwas gelockert.
Eine gute Meile trieben sie flußabwärts. Endlich zog Caine Jade auf eine grasbewachsene Böschung. Sie fror zu sehr und fühlte sich zu elend, um ihm wegen seines Benehmens Vorwürfe zu machen. Nicht einmal richtig wimmern konnte sie. Dazu klapperten ihre Zähne viel zu heftig. Nach einer Weile stammelte sie: »Ich – ich stinke wie ein toter Fisch.«
»Genau«, stimmte Caine belustigt zu.
»Sie auch, Sie – Sie Hochstapler!«
»Hochstapler?« wiederholte er, zog sein Jackett aus und warf es zu Boden. »Was meinen Sie damit?«
Jade versuchte, das Wasser aus ihrem Kleidersaum zu wringen und strich die nassen Haarsträhnen nach hinten, die ihr die Sicht versperrten. »Tun Sie nicht so unschuldig!« Sie gab ihre unzureichenden Bemühungen auf, schlug die Arme um ihre Taille und tat ihr Bestes, um sich ein wenig zu wärmen. »Sie haben sich für den Piraten Pagan ausgegeben. Aber der würde niemals eine vornehme Dame in die Themse schmeißen.«
»Jade, unter diesen Umständen habe ich die einzig richtige Maßnahme getroffen«, verteidigte er sich.
»Ich habe meinen Umhang verloren!« klagte sie.
»Ich kaufe Ihnen einen neuen.«
»Aber in der Tasche stecken meine Silbermünzen. Nun?«
»Nun – was?«
»Bringen Sie mir den Umhang.«
»Was?«
»Holen Sie ihn. Ich warte hier.«
»Das meinen Sie doch nicht ernst.«
»Völlig ernst. Wir wurden nur eine Meile den Fluß hinabgetrieben, Caine. Sicher werden Sie nicht allzu lange brauchen.«
»Nein.«
»Wie bitte?«
»Ich würde den Umhang niemals finden. Wahrscheinlich liegt er inzwischen auf dem Grund der Themse.«
Jade wischte sich über die Augenwinkel. »Jetzt bin ich völlig verarmt – durch ihre Schuld.«
»Fangen Sie nicht schon wieder an!« mahnte er hastig, weil er ahnte, daß sie den Tränen nahe war. »Jetzt fehlt uns die Zeit für hysterische Anfälle oder Jammereien, obwohl das offenbar die zwei einzigen Tätigkeiten sind, die sie großartig beherrschen.« Er hörte, wie sie empört nach Luft schnappte, und grinste. Ihr Temperament schien zurückzukehren. »Haben Sie Ihre Schuhe noch an, oder muß ich Sie tragen?«
»Wie soll ich das wissen? Meine Füße sind ganz gefühllos.«
»Dann schauen Sie nach, verdammt!«
»Ja, verdammt«, murmelte sie und gehorchte. »Ich habe meine Schuhe noch an. Nun? Werden Sie sich jetzt entschuldigen?«
»Nein, das werde ich nicht, und senken Sie bitte Ihre Stimme, Jade. Wollen Sie alle Gauner von London auf unsere Fährte locken.?«
»Nein«, wisperte sie und rückte näher an ihn heran. »Caine? Was hätten Sie getan, wenn ich nicht hätte schwimmen können?«
»Dasselbe. Aber dann wären wir zusammen in den Fluß gesprungen.«
»Ich bin ja gar nicht gesprungen! Aber lassen wir das. Ich friere. Was machen wir jetzt?«
Er zog Jade auf die Beine und stieg mit ihr die Böschung hinauf. »Wir gehen zum Stadthaus meines Freundes. Das liegt näher als meines.«
»Sie vergessen Ihr Jackett!« erinnerte sie ihn. Ehe er ihr sagen konnte, daß sie es liegen lassen solle, rannte sie zurück, wrang mit ihren gefühllosen Fingern so viel Wasser heraus wie möglich und eilte zu Caine zurück, der einen Arm um ihre Schultern legte. Sie wischte sich Wasser aus den Augen. »Ich sehe grauenhaft aus, nicht wahr?«
»Sie riechen noch viel schlimmer«,
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