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Die Rache des schönen Geschlechts

Titel: Die Rache des schönen Geschlechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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»Signorina, war Ihr Onkel homosexuell?«
    Grazia lachte schallend.
    »Der hatte mit Männern nichts am Hut, er mochte Frauen.«
    »In der Stadt heißt es auch, er habe sich an Frauen vergangen«, mischte sich der Commissario ein. »Nicht immer ist vox populi vox Dei«, schleuderte Tommaseo ihm entgegen. Und wieder an das Mädchen gewandt: »Können Sie es ausschließen?«
    »Ich habe nie gesehen, wen er nachts empfing.«
    »Sie wissen also nicht, ob es Männer oder Frauen waren?«
    »Nein, das weiß ich nicht.«
    »Sie können also nicht ausschließen, dass es auch Männer waren.«
    »Wie >auch    »Haben Sie noch nie was von bisexuell gehört?«, meinte der Staatsanwalt süffisant und leckte sich die Unterlippe. Oder wie wär's mit einem flotten Dreier, Vierer, Fünfer, wo doch das Bett so zerwühlt war, dachte Montalbano, aber er kapitulierte lieber. Auch Grazia kapitulierte. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    So hatte der Staatsanwalt freie Bahn.
    »Ich habe zwei Hypothesen«, erklärte er, als er mit dem Commissario allein war. »Die erste besagt, dass Piccolo spät nachts mit Trupia verabredet ist, den er kannte, weil Trupia die im Supermarkt bestellte Ware ins Haus lieferte. Zur verabredeten Zeit steht Piccolo auf, geht die Treppe hinunter, öffnet leise die Haustür, damit seine schlafende Nichte nicht aufwacht, lässt Trupia herein und macht die Tür wieder zu, schließt aber nicht ab. Nach dem Geschlechtsverkehr kommt es zu einem Streit. Vielleicht will Piccolo nicht zahlen, was Trupia verlangt. Der verliert den Verstand, erschießt Piccolo und rafft dann zusammen, so viel er kann. Doch das unvorhergesehene Einschreiten der mutigen Nichte zwingt ihn zur Flucht. Er kann die Haustür noch öffnen, aber Grazia schießt auf ihn. Und Trupia verblutet. Er kann in kein Krankenhaus gehen, er müsste Erklärungen abgeben, die unweigerlich zu seiner Identifizierung als Täter im Mordfall Piccolo führen würden.«
    Er hatte sich eine Flasche Mineralwasser bringen lassen,  trank ein halbes Glas und fuhr fort.
    »Nun zur zweiten Hypothese, die Ihnen, der Sie sich hartnäckig weigern zuzugeben, dass Piccolo möglicherweise homosexuell war, gewiss mehr zusagen wird. Nachts hat Piccolo ein Rendezvous mit einer Frau. Er lässt sie zur Haustür ein, sie gehen in sein Schlafzimmer. Es kommt zu einer geschlechtlichen Vereinigung. Bevor die Frau geht, bittet Piccolo sie, die Haustür hinter sich zuzumachen, abschließen werde er selbst, sobald er wieder Kraft zum Aufstehen habe. Offensichtlich hat ihn diese Frau. lassen wir das. Doch die Frau öffnet die Tür, lässt Trupia herein und geht fort. Trupia glaubt, Piccolo würde angesichts der Bedrohung durch die Waffe stillhalten. Doch der macht Anstalten, sich zu wehren, und Trupia erschießt ihn. Was dann folgt, wissen wir. jetzt müssen wir.«
    ». cherchez la femme?«, fragte der Commissario ganz ernst.
    »Wie meinen?«, fragte Tommaseo verdutzt. »Entschuldigen Sie, ich war zerstreut. Sie sagten, wir müssen.«
    ». die Komplizin suchen, Montalbano. Aber wo? Wie sollen wir sie finden?«
    »Als suchten wir eine Nadel im Heuhaufen«, sagte Montalbano, denn er wusste, dass abgedroschene Phrasen einen bleischweren Punkt setzen. »So ist es. Welche wählen Sie?«
    »Wovon?«
    »Von meinen beiden Hypothesen.«
    »Die zweite.«
    »Aber die zweite zwingt uns, weiterzuermitteln, um die geheimnisvolle Komplizin zu finden!«
    »Dann nehmen wir die erste.«
    Wozu sollte er mit Tommaseo auch Zeit und Energie verschwenden.
    Wenn Montalbano in den folgenden Jahren zufällig an den Fall Piccolo dachte, konnte er sich nie erklären, warum er noch am selben Nachmittag Dindos Vater aufgesucht hatte. Vielleicht wollte er unbewusst sein Gewissen erleichtern, hatte er doch zugelassen, dass Tommaseo in seinem Abschlussbericht schrieb, der arme Junge würde >sich regelmäßig für Geld prostituierenc. Die Adresse hatte er von Aguglia, dem Leiter des Supermarktes, der ihn als Erstes gefragt hatte:
    »Wann kriege ich mein Moped wieder?«
    Montalbano versicherte ihm, dass er es innerhalb der nächsten Tage abholen könne, und dann wollte Signor Aguglia noch seine Meinung über Dindo loswerden. »Commissario, bei allem Respekt vor der Polizei, aber diese Geschichte überzeugt mich überhaupt nicht.«
    »Was meinen Sie?«
    »Was man in der Stadt so hört. Dindo ging weder mit Männern noch mit Frauen. Und er war nicht mal fähig, einen Zahnstocher zu klauen. Hier im

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