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Die Rache des schönen Geschlechts

Titel: Die Rache des schönen Geschlechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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mit Nachnamen heißt?«
    »Nein.«
    In diesem Augenblick ging die Haustür auf, Galluzzos Frau kam vom Einkaufen zurück.
    »Signora Amelia, ich nehme Grazia mit ins Kommissariat. Ihr Mann bringt sie später wieder zurück. Und du, willst du dich vorher noch umziehen?«
    »Ja, aber ich brauche nur fünf Minuten.«
    Montalbano setzte Grazia neben Catarella, der ihr am Computer die Fotos von allen Vorbestraften aus Vigata und Umgebung zeigte. Er hatte sich gerade erst an seinem Schreibtisch niedergelassen, als Catarella in einem Affenzahn hereinschlitterte; Fazio trat ihm in den Weg und fing ihn auf. Catarella keuchte. »Dottori! Das Mädchen hat ihn identifiziert!«
    Sie gingen rüber. Grazia stand in einer Ecke des Zimmers, das Gesicht in den Händen vergraben, und weinte. »Galluzzo! Bring sie nach Hause.«
    Der Strafregisterauszug besagte, dass man mit Alfonso
    Arico, vierzig Jahre zuvor in Vigata geboren, das Brot nicht teilen mochte. Er war Glücksspieler. Und wenn er nicht zockte, waren Einbruch, Erpressung, Überfälle, Vergewaltigung, Sachbeschädigung, Körperverletzung bei ihm an der Tagesordnung. Das Foto zeigte ein stattliches Mannsbild mit der Visage des geborenen Verbrechers. »Fazio, sag's allen weiter. Morgen Früh will ich dieses Arschloch in meinem Büro haben.«
Kapitel 6
    Er aß lustlos, ohne Appetit. Dann setzte er sich an den kleinen Tisch und schlug das Album mit den ComicHeften auf, das er aus der Kammer unter der Treppe mitgenommen hatte. Solche Sammelordner lagen zu Dutzenden auf dem Boden verstreut, aber dieser hatte Dindo besonders am Herzen gelegen, er hatte ihn in der Schublade des Tischchens verwahrt, um ihn wieder und wieder lesen zu können, wie die schmutzigen und abgegriffenen Seiten bewiesen. Dann hatte Dindo irgendwann angefangen, an die Seitenränder dieses einzige Wort zu schreiben, Gerechtigkeit. Das Wort als solches erklärte nicht, ob Dindo vorhatte, Gerechtigkeit zu üben oder zu fordern. Geduldig fing Montalbano an, die Geschichte in dem Album zu lesen. Es ging um einen lüsternen alten Gutsbesitzer, der eine schöne junge Frau rauben ließ, um sie sich zu Willen zu machen. Der Raub kam nach wechselvollen Ereignissen zustande, und am Ende konnte der Gutsbesitzer die nackte und um Erbarmen flehende Alba, so hieß das Mädchen, in seinem Schlafzimmer in Augenschein nehmen. Das Flehen, Jammern, Weinen erregte den Alten nur noch mehr, und er packte Alba und nahm sie auf jede nur erdenkliche Art. Dann ließ er sie in den Kerker werfen und nahm sich vor, nach einem erquickenden Schlaf wieder von vorn anzufangen. Aber Zozzo drang heimlich in das Haus des Gutsbesitzers ein und tötete ihn nach einer Reihe von Zweikämpfen, die er mit dessen Schergen ausfocht. Er befreite die junge Frau, und was sie, froh und dankbar, dann mit dem maskierten Reiter machte, war noch schlimmer als das, was der Alte ihr angetan hatte. Ein bescheuerter Vorwand für Pornozeichnungen. Aber wieso hatte Dindo das Bedürfnis zu diesem zwanghaften Kommentar mit der Gerechtigkeit gehabt? Vielleicht war es ihm ergangen wie manchen schlichten Kinobesuchern, die sich so sehr in eine Geschichte hineinversetzen, dass sie sich einmischen und den tauben Schattengestalten auf der Leinwand, die unbeirrbar ihren vom Schicksal oder vom Drehbuch vorgegebenen Weg gehen, Kommentare, Tipps und Vorschläge entgegenschreien. Diese letzte Vermutung überzeugte ihn fast. Er setzte sich in seinen Sessel und schaltete den Fernseher ein. Es lief eine politische Debatte mit dem Thema: Darf ein amtierender Staatssekretär gegen Bezahlung Werbespots machen? Deprimiert schaltete Montalbano nach einer Weile wieder aus. Er rief Livia an. Und erzählte ihr ausführlich von Dindo. Er beschrieb ihr die schmutzige Zelle, in der der Junge gelebt hatte. Und fragte sie: »Kannst du mir vielleicht sagen, aus welchem Grund so ein bedauernswerter Kerl wie dieses Kind in dem finsteren Loch plötzlich zu singen anfängt?«
    Und er bekam von Livia eine einfache Antwort, die so simpel, sogar selbstverständlich war, dass eben deshalb die Kraft der absoluten Wahrheit in ihr steckte. »Aus welchem Grund, Salvo? Aus Liebe.«
    Ein Blitz. Er schwankte, dass er sich kaum aufrecht halten konnte, und musste sich am Tisch festklammern. In schwindelerregendem Tempo flogen die Steinchen des Mosaiks an den richtigen Platz und bildeten ein logisches Bild, ein vollkommenes Muster.
    »Salvo? Salvo, sag doch was!«
    Er bekam den Mund nicht auf, um ihr zu sagen, dass

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