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Die Rache des schönen Geschlechts

Titel: Die Rache des schönen Geschlechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Antworten auf seine Fragen zu entlocken. Die erste und sicher wichtigste war: Warum hatte Dindo Gerlando Piccolo umgebracht? Der Junge hatte in dieser Absicht das Zimmer betreten, in dem Piccolo im Bett lag. Alles Übrige, die durchwühlten Schubladen, die zertretenen Bilder, die eine hektische Suche nach Diebesgut vortäuschen sollten, waren nichts als Theater, Show. Jemand musste ihm einen Revolver in die Hand gedrückt haben - nie im Leben wäre Dindo imstande gewesen, sich selbst einen zu besorgen - und ihn davon überzeugt haben, dass der Wucherer den Tod verdiente. Und Dindo tat, wozu man ihn überredet hatte. Und weil er eben so war, schoss er nicht auf Grazia, als er ihr plötzlich gegenüberstand - was ein Kinderspiel für ihn gewesen wäre, im Grunde auch unvermeidlich -, denn es war ihm im Traum nicht eingefallen, dass das Mädchen reagieren oder, falls sie ihn festnahmen, zu seiner erbarmungslosen Anklägerin werden könnte. Nein, solche Überlegungen brachte Dindos kindlicher Geist gar nicht zuwege. Er hatte einfach nur versucht zu fliehen, wie ihm jemand eingeschärft hatte. Die zweite Frage lautete: Wie war er ins Haus gekommen? Die Tür wies keine Spuren einer gewaltsamen Öffnung auf, wahrscheinlich hatte er einen Zweitschlüssel benutzt. Doch um einen Zweitschlüssel anzufertigen, brauchte man einen Abdruck, und demnach musste es, außer der Nichte, noch jemanden geben, der völlig ungezwungen und nach Belieben im Haus ein- und ausging. Wer konnte das sein? Eine Zugehfrau gab es nicht, auch nicht stundenweise, Grazia kümmerte sich um alles. Die Kunden wurden über die Hintertreppe eingelassen, sie wussten nicht mal, wie das Haus von innen aussah. Wer dann? Montalbano zermarterte sich das Hirn, und plötzlich kristallisierte sich in seinem Kopf die Gestalt eines Mannes ohne Gesicht, ohne Namen heraus. Eine Person, die jeder in der Stadt fürchtete und die Fazio nicht hatte identifizieren können: der Mann, der in Piccolos Auftrag das Geld kassierte, sein Eintreiber. Ganz allmählich fügte sich alles in einen begreiflichen Zusammenhang, wenn auch erst in Form kaum sichtbarer Zeichen. Montalbano wollte ins Kommissariat zurückfahren; er stand auf, machte ein paar Schritte im Dunkeln und stieß den kleinen Tisch um. Als er fluchend das Licht einschaltete, sah er, dass die Schublade des Tisches aufgegangen war. Darin lag ein Sammelband Comics, »Zozzo, der Reiter mit der Maske«. Zozzo? Er blätterte. Die Comics waren schauerlich, eine PornoVersion von Zorro. Auf jede Seite hatte Dindo mit rotem Kugelschreiber das immer gleiche Wort geschrieben:  gerrechtikeit ! Er steckte den Sammelband in die Jackentasche, löschte das Licht und ging hinaus.
    Anstatt ins Kommissariat fuhr er zu Galluzzo. Er klingelte, und sofort meldete sich Grazia. »Cu e?«
    »Montalbano.«
    Das Mädchen öffnete ihm die Tür, und der Commissario sah gleich, dass sie blass war und gerötete Augen hatte. In diesem Augenblick konnte man sie wirklich nicht schön nennen. »Bist du allein?«
    »Ja, Amelia ist beim Einkaufen.«
    »Was machst du gerade?«
    »Nichts.«
    »Ist dir nicht wohl?«
    »Nein.«
    »Was hast du? Soll ich einen Arzt rufen?«
    »Ich bin nicht krank. Ich. ich kann nur nicht mehr schlafen, seit ich weiß, dass ich den armen Kerl getötet hab. Und. und ich will nach Hause.«
    »Geht's dir hier nicht gut?«
    »Doch, schon, aber zu Hause ist zu Hause.«
    »Hättest du keine Angst, allein zu wohnen?«
    »Ich hab vor gar nichts Angst.«
    »Ein paar Tage noch, höchstens drei, dann kannst du wieder heim. Ich wollte dich was fragen, was uns bei den Ermittlungen im Mordfall deines Onkels sehr weiterhelfen könnte.«
    Beunruhigt riss Grazia die Augen auf. »Was, sind die immer noch nicht fertig? War es denn nicht Dindo?«
    »Doch, es war Dindo. Aber hast du dich jemals gefragt, wie Dindo in der Nacht ins Haus gekommen ist? Entweder hat ihm jemand aufgemacht oder er hatte einen Nachschlüssel. Im einen wie im anderen Fall muss der Junge also einen Komplizen gehabt haben. Und der Komplize war jemand, der freien Zugang zum Haus hatte. jetzt frage ich dich Folgendes: Gab es jemanden, der oft bei deinem Onkel war? Mit dem er vielleicht lange geredet hat? Den er hin und wieder zum Mittagessen eingeladen hat?«
    Das Gesicht des Mädchens hellte sich auf. »Klar gab es da jemand! Er heißt Fonzio. Und manchmal wollte 'u zu Giurlannu, dass ich ihnen einen Espresso bringe, wenn sie im Büro saßen und redeten.«
    »Weißt du, wie er

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