Die Rache des schönen Geschlechts
veranstalten, lauscht vor der Villa eine kleine Menschenmenge, doch um zehn Uhr abends kehrt mit einem Mal Stille ein: Was ist da passiert? Cristina ist plötzlich in der Wohnzimmertür erschienen. Und sie erklärt bleich, aber entschieden: »Es reicht. Ich kann nicht mehr. Ich habe Nene umgebracht. Mit Gift.«
Der Notar startet einen letzten Versuch und spricht von Irrereden und Wahnvorstellungen, aber es ist nichts zu wollen. Zwanzig Minuten später sehen die Leute, wie die Haustür aufgeht. Erst kommen Signora Cristina, der Notar und Avvocato Nicolosi heraus, dann folgen Stefano und
Avvocato Russomanno. Die Menge läuft bis zum Carabinieri-Posten, wo Cristina sich stellen will, hinter ihnen her. Leutnant Frangipane vernimmt sie. Und Cristina erzählt, sie habe, nachdem Dottor Friscia gegangen sei, ihrem Mann nicht die Medizin verabreicht, sondern ein Glas Wasser zu trinken gegeben, in dem sie ein Mäusegift auf Strychninbasis aufgelöst habe. »Wo haben Sie das gekauft?«
»Ich habe es nicht gekauft. Ich habe meine Freundin Maria Carmela Siracusa darum gebeten, die Witwe des Apothekers. Sie hat es in der Apotheke geholt und mir gegeben. Ich habe gesagt, ich brauche es für die Mäuse im Haus.«
»Warum haben Sie Ihren Mann umgebracht?«
»Weil ich seine Seitensprünge nicht mehr ertragen habe.«
Anderntags wird Maria Carmela Spagnolo verheiratete Siracusa von Leutnant Frangipane einbestellt, und sie bestätigt unter Tränen, sie habe der Freundin das Gift gegeben, aber nicht im Traum daran gedacht, dass Cristina es dazu verwenden könnte, ihren Mann zu töten. Sie hätten sich an Weihnachten getroffen, lange miteinander geredet, und Cristina sei nicht anders gewesen als sonst. Signora Maria Carmela, genauso alt wie Cristina und mit ihr befreundet, gilt als charaktervolle Frau. Der Apotheker selig war ein Weiberheld wie der Anwalt, doch sie hat sich nicht wie Cristina einen Geliebten zugelegt. So hat der Leutnant keinen Grund zu der Annahme, Maria Carmela Spagnolo sei über Cristinas Mordabsichten im Bilde gewesen. Er nimmt die Aussage auf und schickt Maria Carmela wieder nach Hause. Aber irgendjemand setzt ein paar Gerüchte über sie in Umlauf: Man munkelt, die Frau des Apothekers habe sehr wohl über Cristinas Vorhaben Bescheid gewusst. jedenfalls halten viele Leute Maria
Carmela für eine Komplizin. Empört verkauft die Frau ihren Besitz und geht ins Ausland, zu ihrem Bruder, dem Diplomaten. Sie wird noch mal für einige Tage zurückkommen, um im ersten Prozess, der 1953 stattfindet, auszusagen. Da wird sie ihre erste Aussage bestätigen und sofort wieder nach Frankreich abreisen. In Fela ward sie nie mehr gesehen.
Doch vor dem Prozess geschehen etliche seltsame Dinge. Ein paar Tage nach Cristinas Festnahme ordnet die Staatsanwaltschaft besagte Obduktion an, die die Frau zu ihrem Geständnis veranlasst hat. Die dem Leichnam entnommenen Teile werden, in acht Behältern verpackt, dem Ermittlungsrichter in Palermo geschickt, und der leitet sie weiter an Professor Vincenzo Agnello, Toxikologe an der Universität, und Professor Filiberto Trupia, Dozent für pathologische Anatomie. Die beiden erhalten auch die Betttücher mit Flecken vom Erbrochenen des Sterbenden und die Unterwäsche, die er trug. Da gibt Cristina vor dem Ermittlungsrichter zwei Erklärungen ab. In der ersten beteuert sie, sie habe ihren Mann getötet, um ihm weitere Qualen zu ersparen. Eine Art Euthanasie. In der zweiten behauptet sie, sie sei gar nicht sicher, dass sie sich einen Mord habe zuschulden kommen lassen, denn die Giftmenge, die sie ihm gegeben habe, sei zu gering gewesen. Fast nichts, ein winziger Krümel zwischen Daumen und Zeigefinger. Ein paar Monate später gibt Cristina nach intensiven Gesprächen mit Avvocato Nicolosi eine dritte Erklärung ab, in der sie alles widerruft. Sie habe ihrem Mann nie Gift gegeben, das habe sie den Carabinieri und dem Richter nur aus Angst gesagt, sie habe die Todesdrohungen von ihrem Schwager Stefano, dem Schweizer, gefürchtet. Sie dachte, im Gefängnis sei sie in Sicherheit. Sie betonte noch einmal, es sei wahr, was sie Dottor Friscia erklärt habe: nämlich dass sie ihrem Mann die Medikamente nicht mehr habe geben können, weil er gestorben sei, bevor sie etwas habe tun können. Abschließend meinte sie, dass ihr die Analyseergebnisse der Herren Professoren aus Palermo gewiss Recht gäben. In der Tat platzt die Bombe kurz darauf mit einem Riesenknall. In ihrem Gutachten versichern Agnello
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