Die Rache des stolzen Griechen
andere Stimme etwas auf Griechisch.
Man musste Kit den Hörer wieder weggenommen haben. Ohne Lazar anzusehen, hielt Clare ihm den Hörer hin. Mit kurzen Worten beendete er das Gespräch und legte auf.
Ungewollt begegnete sie seinem Blick. Der kalte Ausdruck in seinen Augen ließ sie frösteln.
„Sie haben Ihrem Bruder also weisgemacht, dass er keinen Grund zur Sorge hätte“, bemerkte er sarkastisch. Clare antwortete nicht. Sie fühlte sich völlig ausgebrannt. Als er weiterredete, lag in seiner Stimme ein drohender Unterton. „Ist es bei Ihnen üblich, die eigene Familie zu belügen? Für den Fall, dass Ihnen Ihre Situation nicht ganz klar sein sollte: Wenn Ihr Bruder sich bisher keine Sorgen um Sie gemacht hat, dann sollte er es besser jetzt tun!“
Clare wollte kein einziges Wort mehr hören. Sie drehte sich um und stürmte in ihr Zimmer.
Als sie später im Bett lag, machte sie sich schreckliche Sorgen um Kit. Es musste furchtbar für ihn sein, zu wissen, dass sie sich allein und ohne den Schutz ihrer Familie in einem fremden Land aufhielt. Bevor sie in den Schlaf hinüberglitt, dachte sie an ihre Eltern und Bruce, und plötzlich schob sich Lazar Vardakas’ Gesicht vor ihr geistiges Auge, wie er sie nach ihrem Wutausbruch am Strand amüsiert betrachtet hatte. Er hatte so viel jünger gewirkt – sorglos, heiter, sympathisch. Mit diesen verwirrenden Bildern schlief sie schließlich ein.
Am nächsten Morgen war keine Sonne zu sehen. Draußen war alles grau in grau, und es nieselte.
Clare konnte es kaum glauben, dass sie die ganze Nacht durchgeschlafen hatte, ohne ein einziges Mal aufzuwachen. Seit letzten Samstag, als sie zum ersten Mal allein im Haus gewesen war, hatte sie nicht mehr so gut geschlafen.
Während sie unter der Dusche stand, wurden ihre Gedanken wieder von Kit und seinem Schicksal beherrscht, aber auch von dem, was sie erwartete. Irgendwie kam ihr die Situation jetzt nicht mehr ganz so bedrohlich vor wie gestern Abend. Und wieder sah sie Lazars Gesicht mit dem jungenhaften Lächeln vor sich.
Clare verspürte einen gesunden Appetit. Schade, dass sie bei diesem Wetter nicht auf der Terrasse frühstücken konnte. Sie verließ ihr Zimmer und lief Phoebe über den Weg. Die Wirtschafterin führte sie in einen Frühstücksraum, dessen breite Fensterfront einen herrlichen Panoramablick auf die Pinienwälder bot.
Gerade hatte Clare mit dem Frühstück begonnen, als Lazar hereinkam. Zu ihrer Verwunderung störte es sie kein bisschen, ihn zu sehen. Gestern noch wäre ihr bei seinem Anblick der Appetit vergangen.
Leicht verdrossen wünschte er ihr einen guten Morgen und trat ans Fenster, wo er in den Regen hinausblickte.
Sie betrachtete ihn verstohlen. Auch heute trug er eine schwarze Hose, dazu ein eng anliegendes Hemd. Er hatte schmale Hüften und breite Schultern. Als er sich unvermittelt vom Fenster abwandte und zum Tisch herüberkam, widmete sie sich rasch wieder ihrem Frühstück.
Schweigend schaute er auf sie herab. Clare spürte seine schlechte Laune förmlich. Dann endlich sagte er etwas, und sie traute ihren Ohren nicht.
„Beeilen Sie sich mit dem Frühstück. Ich möchte mit Ihnen wegfahren.“
„Wegfahren?“, wiederholte sie.
„Gefällt Ihnen mein Vorschlag nicht?“
„Doch, schon. Aber …“
Natürlich gefiel er ihr. Bei diesem Wetter konnte sie schlecht draußen herumspazieren, und den Tag in ihrem Zimmer zu verbringen reizte sie auch nicht gerade. Dennoch war sie misstrauisch. Warum wollte Lazar mit ihr irgendwo hinfahren? Seine Sympathien für sie reichten ganz sicher nicht aus, um den Tag in ihrer Gesellschaft verbringen zu wollen.
„Warum soll ich mitkommen?“, fragte sie deshalb. „Wenn Sie wegfahren möchten, brauchen Sie mich doch nicht mitzunehmen.“
Er machte eine ungeduldige Handbewegung. „Ich dachte nur, Sie hätten Interesse, etwas von der Gegend zu sehen. Aber wenn Sie nicht wollen, ist das Ihre Sache. Ich fahre in einer halben Stunde los. Vielleicht entschließen Sie sich doch noch mitzukommen.“ Damit ging er hinaus.
Zehn Minuten später war Clare in ihrem Zimmer und machte sich fertig. Dabei redete sie sich ein, dass sie nur mit ihm wegfuhr, um ihn zu ärgern. Denn bestimmt wollte er sie nicht wirklich dabeihaben. Andererseits musste sie zugeben, dass sie gern etwas von der Umgebung sehen würde.
Sie stellte sich an die Terrassentür in seinen Sichtbereich. Gleich darauf erblickte sie seinen Mercedes. Lazar hielt an und stieg aus, um etwas am
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