Die Rache des stolzen Griechen
ohnehin schon vor jeder Nacht, wenn die Angst mit jeder schlaflosen Stunde wuchs.
Das Essen schmeckte ausgezeichnet, besonders die Dolmades, mit Reis gefüllte Weinblätter. Auch das Kalbfleisch war hervorragend zubereitet. Dennoch aß Clare nur so viel, bis ihr Magen sich zufriedengab. Lazars Angebot, ihr zum Nachtisch eine Orange zu schälen, lehnte sie ab. Dabei fragte sie sich, ob die Spannung im Raum nur von ihr ausging, oder ob auch Lazar seinen Teil dazu beitrug. Im Gegensatz zu gestern Abend war er heute ziemlich schweigsam.
„Kann ich jetzt gehen?“, fragte sie, nachdem er seinen Kaffee ausgetrunken hatte. Sie glaubte, seine Gegenwart nicht länger ertragen zu können.
Nebenan klingelte das Telefon. Einen Moment später tauchte Lukas an der Tür auf und meldete seinem Herrn, dass der Anruf für ihn sei.
Clare war erleichtert. Die perfekte Gelegenheit, sich zurückzuziehen, schien gekommen. „Bestimmt möchten Sie allein sein, wenn Sie telefonieren“, sagte sie und stand vom Tisch auf.
Lazar folgte ihr zur Tür. „Da ich mit größter Wahrscheinlichkeit Griechisch sprechen werde, dürfte es keine Rolle spielen.“ Er umfasste ihren Ellbogen. „Aber kommen Sie nur mit. Mein Bruder Aeneas ist am Telefon.“
Sofort war Clare wie elektrisiert. Alle Gedanken, wie sie Lazar entschlüpfen konnte, waren vergessen. Er ließ ihren Arm los und betrat sein Arbeitszimmer. Einen Moment später nahm er den Hörer auf und sagte etwas auf Griechisch.
Nervös stand Clare da und hörte ihm zu, ohne ein Wort zu verstehen. Dann schwieg er eine Weile. Während er sich anhörte, was sein Bruder zu sagen hatte, ließ er den Blick über Clare gleiten. Als er dann wieder etwas sagte und es wie ein Befehl klang, ahnte sie, dass er mit Kit sprechen wollte.
Dass er jetzt zur englischen Sprache überwechselte, bestätigte ihre Vermutung. Clare bemerkte, wie Lazars Züge hart wurden und ein kalter Ausdruck in seine Augen trat. Obwohl seine Stimme beherrscht klang, war sein Zorn deutlich herauszuhören.
„Antworten Sie mir klipp und klar mit Ja oder Nein“, herrschte er Kit an. „Haben Sie meine Schwester in Ihr Apartment mitgenommen?“
Offenbar hatte Kit ihm keine konkrete Antwort gegeben, so wütend wie Lazar jetzt auf ihn losging.
„Was erlauben Sie sich, den Namen meiner Schwester zu verunglimpfen, indem Sie sie eine Lügnerin nennen?“ Offensichtlich wollte Kit etwas sagen, doch Lazar ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Ich habe nicht die geringste Veranlassung, Sophronia zur Rede zu stellen. Sie würde ihre Eltern niemals anlügen, davon bin ich überzeugt.“ Abermals schien er Kit ins Wort zu fallen. Lazars schwarze Augen blitzten gefährlich, seine Stimme klang eisig. „Sie haben meiner Schwester die Unschuld geraubt. Es ist mir eine Genugtuung, Ihnen mitzuteilen, dass ich Ihre Schwester Clare hier bei mir habe. Sie wird von mir dieselbe Behandlung erfahren wie Sophronia von Ihnen.“
Kreidebleich stand Clare da, unfähig, sich zu rühren. Wie konnte Lazar ihrem Bruder auf so kalte und brutale Weise mitteilen, was er mit ihr vorhatte? Kit musste völlig außer sich sein. Deutlich konnte sie seinen Wutausbruch hören, als Lazar sich den Hörer ein Stück vom Ohr weghielt.
In diesem Moment rührte sich etwas in ihr. Bisher war sie diejenige gewesen, die immer beschützt worden war. Nun lag es an ihr, stark zu sein und etwas für ihren Bruder zu tun. Unerschrocken riss sie Lazar den Hörer aus der Hand.
„Kit, es ist alles in Ordnung, glaub mir“, versuchte sie ihn zu beruhigen.
Es dauerte eine Weile, bis er über den ersten Schock hinweg war.
„Wie, in aller Welt, hat dieser Kerl es geschafft, dich nach Griechenland zu verschleppen?“, wollte er wissen. „Und wo, zum Teufel, war Bruce? Hat dieser Schuft … Verdammt, ich fühle mich so entsetzlich hilflos, sitze auf dieser Insel fest, habe keine Möglichkeit, zu dir zu kommen!“
Clare zerriss es beinahe das Herz. „Kit, mach dir bitte keine Sorgen um mich. Mir geht es gut“, redete sie weiterhin beruhigend auf ihn ein. „Lazar ist trotz allem wie ein Gentleman zu mir.“
„Er hat … er hat dich nicht angerührt?“
„Nein, natürlich nicht. Ich werde hier sehr gut behandelt. Es ist fast wie ein Urlaub.“ Hoffentlich brachte sie dieses Gespräch zu Ende, ohne vorher in Tränen auszubrechen. Kit würde ihr kein Wort glauben, wenn er sie weinen hörte. „Du brauchst keine Angst um mich zu haben, bestimmt nicht …“
Plötzlich sagte eine
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