Die Rache des stolzen Griechen
angenehmen Schatten. Als sie dann wenig später eine wunderschöne byzantinische Kirche betraten, kam ihr das Innere richtig kalt vor.
Wie Lazar ihr erklärte, war die Kirche erst vor Kurzem renoviert worden, da sie bei einem Erdbeben vor einigen Jahren schwer beschädigt worden war. Beeindruckt ließ Clare ihre Blicke über die wunderschönen Fresken und Schnitzereien wandern.
Anschließend kehrten sie zum Auto zurück. Clares Aufregung wuchs. Bald würden sie in Pella sein, dem Geburtsort Alexanders des Großen!
Bevor sie Thessaloniki verließen, fuhren sie an einem interessant aussehenden runden Turm vorbei.
„Das ist der Weiße Turm, das Wahrzeichen der Stadt“, erklärte Lazar auf Clares Frage nach dessen Bedeutung. „Am Abend ist er beleuchtet. Er stammt noch aus der osmanischen Zeit. Über die Jahrhunderte hinweg hat er als Waffenlager, Gefängnis und Wetterstation gedient. Zuletzt war eine Marineschule darin untergebracht, heute ist der Turm ein Museum. Während der internationalen Messe ist hier viel los. Aber die findet erst nächsten Monat statt.“
Plötzlich verspürte Clare ein seltsames Bedauern darüber, dass sie bis dahin nicht mehr hier sein würde. Hätte sie nicht vor Kurzem noch alles darum gegeben, wieder zu Hause im Schutz ihrer Familie sein zu können? Irgendwie warf der Gedanke einen Schatten auf den schönen Tag, der erst dann wich, als Lazar zu einer Anhöhe hinauffuhr, wo der Ort Pella und die Ausgrabungsstätte lagen.
Clare war tief beeindruckt, während sie zwischen Säulen und freigelegten Bodenmosaiken umherwanderten. Die Archäologen hatten fantastische Arbeit geleistet, um einen Palast auszugraben, der vor mehr als zweitausend Jahren erbaut und später durch ein Erdbeben zerstört worden war. Die Mosaiken bestanden aus Hunderttausenden von gleichmäßigen Steinchen. Ein ganzes Heer von Künstlern musste ein Leben lang daran gearbeitet haben.
Sie konnte sich gar nicht sattsehen. Mit ihren Gedanken war sie so sehr in dieser anderen Welt, dass sie nicht aufpasste und gegen Lazar prallte, der unerwartet stehen geblieben war, um einer älteren Dame den Vortritt zu lassen. Haltsuchend griff sie nach seinem Arm, zog ihre Hand jedoch rasch zurück, als ihr bewusst wurde, wie intim ihre Berührung gewesen war.
„Nehmen Sie ruhig meinen Arm“, bot Lazar an. „Der Boden ist sehr uneben hier, und Sie könnten fallen.“ Ihr Herz begann heftig zu klopfen, als er sie am Ellbogen leicht unterfasste. „In dem kleinen Museum dort drüben sind noch mehr Mosaiken zu sehen“, sagte er dann. „Möchten Sie reingehen?“
Natürlich stimmte sie zu. Erst nachdem sie das Museum betreten hatten, ließ Lazar es zu, dass sie ihren Arm zurückzog. Clare begann allein umherzuwandern. Mit großem Interesse betrachtete sie die Kunstschätze, die das Museum zu bieten hatte. Erst als sie vor dem größten und eindrucksvollsten der Mosaike stand, war Lazar wieder an ihrer Seite. Es war aus den gleichen kleinen Steinchen zusammengesetzt wie die anderen, die sie bereits gesehen hatten, und zeigte einen Löwen, der von zwei Männern flankiert war. Aufmerksam hörte sie zu, als Lazar ihr erklärte, dass der Mann mit der Kopfbedeckung Alexander der Große war und der andere sein Feldherr Krateros, der ihm auf einer Löwenjagd das Leben gerettet hatte.
Nach ihrem Besuch in Pella schlug Lazar den Rückweg ein. Clare störte es nicht einmal so sehr, dass sie wieder zur Villa zurückfuhren. So verrückt es auch war – sie musste zugeben, dass sie einen der glücklichsten Tage in ihrem Leben verbracht hatte. Gleichzeitig schämte sie sich deswegen. Wie konnte sie glücklich sein, wenn Kit sich in schrecklicher Gefahr befand?
Unterwegs hielten sie noch einmal an, um in einem der Strandhotels Tee zu trinken. Als sie anschließend wieder ins Auto stiegen, waren beide schweigsam geworden.
„Fühlen Sie sich nicht wohl, Clare?“, erkundigte Lazar sich, da sie eine ganze Weile nichts gesagt hatte.
„Oh, doch“, versicherte sie ihm.
Kurz darauf bogen sie auch schon in die Zufahrt zur Villa ein. Nachdem Lazar den Wagen zum Stehen gebracht hatte und sie ausgestiegen waren, überkam Clare die alte Befangenheit wieder. „Danke für den schönen Tag, Lazar“, sagte sie höflich. Seine freundliche Miene war ebenfalls verschwunden, als er ihr kurz zunickte. Ob er gerade auch daran denkt, dass sein Ultimatum in Kürze ausläuft?, fragte sie sich.
Eilig lief sie in ihr Zimmer. Sie schloss die Tür und lehnte sich
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