Die Rache trägt Prada. Der Teufel kehrt zurück
umliegende Dachlandschaft, nippte an ihrem Wasser mit dem dekorativen Limonenschnitz, atmete tief ein und hoffte, dass die Hotelangestellte ihr noch ein bisschen Ruhe ließ. Ein paar gestohlene Minuten, in denen sie weiter hier sitzen und über Olives Worte nachdenken konnte, bevor sie wieder voll in die Hektik der Großstadt eintauchte und sich mit all dem herumschlug, was anstand: Anschaffungen für das Kind, geschäftliche Telefonate, Emilys Dauerpanik. Unwillkürlich musste Andy daran denken, wie sehr sie bei ihrer eigenen Hochzeit darauf bedacht gewesen war, alles selbst bis ins letzte Detail zu regeln, damit es nur ja perfekt war. Wie sie die Verlobung, auf die es in den drei Jahren ihrer Beziehung doch relativ zielstrebig zugelaufen war, nie in Frage gestellt hatte, weil Max nun einmal umwerfend gut aussah, erfolgreich und charmant war, weil alles passte, sämtliche Freunde und Familienangehörigen den Daumen gehoben hatten und – natürlich – auch, weil sie ihn liebte. Da blieb ihr doch gar nicht viel anderes übrig, als Ja zu sagen. Und trotzdem – war ihr dabei vielleicht irgendetwas Wichtiges entgangen? Hatte diese Heirat einen Anstrich von Was-denn-auch-sonst ? Ja klar, sie liebte Max, daran bestand kein Zweifel, aber war er wirklich auch ihr Seelengefährte ? Liebte sie ihn so sehr, wie Olive Clint liebte?
Sie stellte ihr Glas ab und seufzte. Wieso musste sie sich überhaupt so abquälen? Max war absolut perfekt – als Ehemann, als künftiger Vater und ja, auch als Seelengefährte. Es war doch völlig normal, wenn man kurz vor der Geburt kalte Füße bekam, oder? Das ging bestimmt allen Schwangeren so. Sie sah sich um, ob sie auch sicher allein auf weiter Flur war, und drückte dann auf Max’ Kurzwahltaste. Er ging nicht dran, doch allein der Ansagetext mit seiner Stimme beruhigte sie.
»Hi, Baby«, wisperte sie. »Wollte mich nur kurz melden. Bin bald wieder da und freu mich schon so auf dich. Hab dich lieb.« Sie drückte auf »Aus«, lächelte und strich über ihren Bauch. Allzu lange konnte es nicht mehr dauern.
16
Mach einen Testlauf mit ihm
»O mein Gott, die ist ja zum Fressen! Komm zu Tante Lily, Süße, wird dringend Zeit, dass wir uns kennenlernen. Meine Güte, du bist deinem Papa ja aus dem Gesicht geschnitten!«
»Ja, es ist fast schon unheimlich, oder?«, sagte Andy und hielt Lily das Baby hin. »Lily, darf ich vorstellen: Clementine Rose. Clem, das ist deine Tante Lily.«
»Guck dir die Augen an! Sind die grün? Und dieser schwarze Mopp! Welcher Glückspilz kommt schon mit so vielen Haaren auf die Welt? Das ist ja echt eine megasüße weibliche Miniaturausgabe von Max.«
»Stimmt«, sagte Andy und sah zu, wie ihre Tochter ihre älteste Freundin betrachtete. »Angeblich hat sie auch große Ähnlichkeit mit Max’ Vater. Rose steht für Robert. Anscheinend bin ich nur so was wie der Brutkasten von Harrison-Klonen.«
Lily lachte.
Seit Clementine da war, vermisste Andy ihre Freundin mehr denn je. Zwar war sie vor einem Monat einer Selbsthilfegruppe für junge Mütter beigetreten und hatte da ein paar Bekanntschaften geschlossen, aber trotzdem fühlte sie sich oft einsam. Die Umstellung auf die Mutterschutzphase ohne feste Struktur fiel ihr schwer; die Tage verschwammen ineinander, vom Schlafmangel zunehmend benommen kämpfte sie sich durch die letztlich immer gleiche Mischung aus Stillen, Abpumpen, Windelwechseln, Baden, Anziehen, Wiegen, Singen, Spazierenfahren, Kochen und Putzen. Was sie früher irgendwie noch schnell in ihren hektischen Tagesablauf hineingequetscht hatte – Wäsche, Einkaufen, ein Gang zum Postamt oder zum Drugstore –, zog sich jetzt über Stunden und manchmal sogar Tage hin, weil Clementine mit ihren ständigen Forderungen immer Vorrang hatte. Sie fand es himmlisch, bei ihrer Tochter zu sein, und hätte es niemals missen wollen, mit ihr im Bett zu schmusen, an einem warmen Sommermittag auf der High Line ein Sandwich zu essen und Clementine dabei ihr Fläschchen zu geben oder mit ihr zu Hause im Wohnzimmer zu den Greatest Hits von Chicago gemächlich zu tanzen – aber die tägliche Plackerei war doch härter, als sie sich das vorgestellt hatte.
Mrs Harrison war fassungslos, weil Andy keine Kinderschwester einstellen wollte – kein Kind der Familie Harrison war jemals ohne eine hingebungsvolle Pflegerin aufgewachsen –, doch Andy behauptete sich. »Deine Mutter würde auch noch eine Amme für mich engagieren, wenn ich sie ließe«, sagte sie nach einer
Weitere Kostenlose Bücher