Die Rache trägt Prada. Der Teufel kehrt zurück
einer durchnässten Windel. »Jetzt geht’s dir doch gleich besser, hm?«
Sie ging mit der Kleinen zurück ins Wohnzimmer, wo Lily gerade ihre Siebensachen zusammensuchte.
»Musst du schon gehen?«, fragte Andy den Tränen nahe. Die unverhofften Heulanfälle hatten sich in letzter Zeit ein bisschen gelegt, trotzdem hatte sie eindeutig einen Kloß im Hals.
»Ich hätte es auch lieber anders«, sagte Lily. »Ihr zwei werdet mir furchtbar fehlen. Aber ich habe noch eine Verabredung mit meinem alten Doktorvater, fast am anderen Ende von Manhattan. Ich muss jetzt los, sonst komme ich zu spät.«
»Wann sehe ich dich wieder?«
»Du kommst mich besuchen, wenn Nummer zwei auf der Welt ist«, sagte Lily und hängte sich einen Pullover über die Schultern.
Bei der Umarmung zum Abschied spürte Andy Lilys Trommelbauch. Sie umfasste ihn, bückte sich und sagte: »Dass du mir ja nett zu deiner Mama bist, hörst du? Keine Purzelbäume da drin.«
»Zu spät.«
Sie umarmten sich noch einmal, und Andy zerdrückte ein paar Tränchen, als ihre Freundin durch den Flur verschwand. Dann machte sie sich daran, die Wickeltasche zu packen; wenn sie und Clem nicht schleunigst aufbrächen, kämen sie ebenfalls zu spät.
Sie marschierte so flott, wie ihre Blessuren und der Kinderwagen es erlaubten. Clem begann zu weinen.
»Wir sind gleich da, Schnuckelchen. Hältst du noch ein kleines bisschen durch?«
Zum Glück war es ein kurzer Weg bis zu der Turnhalle, in der die Selbsthilfegruppe sich traf, denn mittlerweile brüllte Clementine wie am Spieß. Die anderen Mütter sahen mitfühlend zu, wie Andy die Kleine aus dem Wagen nahm, sich mit ihr auf die Bodenmatten plumpsen ließ und ohne falsche Scham ihre linke Brust zutage förderte. Trotz fest zusammengekniffener Augen fand Clem die Brustwarze wie per Echolot und saugte sich mit aller Macht fest. Andy seufzte erleichtert auf und hielt kurz Umschau zur Bestätigung, dass sie in ihrem Elend nicht allein war: Drei andere Mütter waren ebenfalls mit Stillen beschäftigt, zwei weitere wechselten Windeln, und drei hockten auf dem Boden, teils mit glasigem Blick, teils den Tränen nahe angesichts ihrer zappelnden, unzufriedenen Kinder. Nur eine einzige Frau war offensichtlich frisch geduscht und völlig normal gekleidet: die Tante eines der Babys.
Die Leiterin der Gruppe, ein Lockenschopf namens Lori, die sich selbst als »Life Coach« bezeichnete, setzte sich in den Kreis der schwergeprüften Mütter, begrüßte zunächst jedes einzelne Baby mit einem leicht irren Lächeln und dann die Gruppe mit der Verlesung eines Zitats.
»›Mutterschaft: In ihr hat alle Liebe ihren Anfang und ihr Ende.‹ Ein wunderschöner Gedanke von Robert Browning, findet ihr nicht auch? Möchte jemand etwas dazu sagen?«
Theos Mutter, eine hochgewachsene elegante Schwarze, die vor der Qual der Wahl stand, ihre Anwaltskarriere weiterzuverfolgen oder Vollzeitmutter zu werden, seufzte abgrundtief und sagte: »Diese Woche hat er anfangs immer sechs Stunden durchgeschlafen, die letzten zwei Nächte ist er allerdings wieder jede Dreiviertelstunde aufgewacht und war nicht zu beruhigen. Mein Mann hat schon versucht, mir ein paar Schichten abzunehmen, aber das führt nur dazu, dass ihm im Büro die Augen zufallen. Warum wird es denn nicht langsam besser? Wieso machen wir solche Rückschritte?«
Allgemeines Nicken. So lief es bei jedem Treffen: Hippie-Flippie Lori las ihnen ein wunderschönes, inspirierendes Zitat vor, für das sich kein Schwein interessierte und das mitunter sogar offen feindselige Reaktionen auslöste. Unweigerlich stellte eine aus der Runde schließlich eine Frage, die allen unter den Nägeln brannte und nichts, aber auch gar nichts mit Loris Auftakt zu tun hatte, und sämtliche Mütter sprangen sofort darauf an. Andy musste jedes Mal lächeln, wenn dieser Punkt erreicht war.
Unwillkürlich stellte sie sich Emily bei solch einem Treffen vor. Zweifellos wären sie alle in ihren Augen jämmerliche, bedauernswerte Gestalten, wie sie da im Halbkreis saßen und sich von ihrem Life Coach Lagerfeuerpoesie vorlesen ließen – abgekämpft, ungeschminkt, ein Leben zwischen Babyspucke und Babykacke, ohne Dusche, ohne Sex, ohne Workout, ohne Schlaf. Und trotzdem hatte die ganze Veranstaltung für Andy jedes Mal etwas ungeheuer Entspannendes: Diese Frauen hier waren zwar nun nicht gerade ihre Busenfreundinnen, aber sie verstanden sie wie sonst niemand. Sie staunte selbst, dass sie so schnell einen Draht zu
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