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Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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aus mehr als nur ein paar verdammt großen, afrikanischen Fischen, dachte al-Wazir. Vielleicht sind es Aale. Oder einfach nur Monster.
    Der schuppige, lange Körper des Königs floss herab und entrollte sich. Sein Maul war größer als al-Wazir, und unendlich viele nadelspitze Zähne, die länger als ein menschlicher Arm waren, blitzten auf. Sein Oberkörper klatschte mit dröhnendem Krachen auf den Boden. Er schlug immer heftiger um sich, während der Rest seines Körpers mit dem Wasser herausgespült wurde.
    Boas erhob sich aus der stinkenden Flut und rammte das Bruchstück des Eisenpfeilers in eins der unheilvollen Augen. In diesem Augenblick schrien die Soldaten wie ein Mann auf und stürzten sich auf den König. Mit einem Mal bemerkte al-Wazir, dass er allein in knöchelhohem, stinkendem Wasser kniete, während seine ehemaligen Feinde ihre Klingen in das Fleisch der umherzuckenden Flanken jagten, um Schuppen und Muskeln zu zerteilen.
    Es war ein grausames Schlachtfeld, auf dem die Soldaten den Gegner anbrüllten, auf ihn einschlugen, seine Haut aufschlitzten und einige sogar dabei starben, während immer mehr ihrer Kameraden in die Kammer stürzten, um sich an dem Blutrausch zu beteiligen. Das Wasser floss langsam ab und zurück blieb ein Gemisch, dessen Anteil an silberblauem, eiskaltem Blut stetig zunahm.
    Childress
    Auf dem Weg zwischen den Inseln und Singapur durchfuhren sie zwei Stürme, indem die Five Lucky Winds auf Tauchstation ging und damit die schlimmsten Folgen unter Wasser überstand. Der Rumpf wurde zwar immer noch hin- und hergeschaukelt, und das Tosen der Wellen war immer noch zu hören, aber das war nichts im Vergleich zu dem, was ein normales Schiff bei diesen starken Winden und dem furchtbaren Regen auszuhalten hatte. Childress saß während dieser langen, geräuschvollen Stunden in ihrer Kabine und arbeitete an ihrer Argumentation gegen die Goldene Brücke. Sollten sie es bis Chersonesus Aurea schaffen, was ihrer Meinung nach beileibe nicht garantiert schien, so wäre Logik ihre mächtigste und auch einzige Waffe.
    Mehrere Stunden, nachdem sie Singapur verlassen hatten, brachte Leung sie wieder an die Oberfläche. Er suchte Childress in ihrer Kabine auf. »Möchtest du mich in den Turm begleiten?«
    Sie legte eine Seekarte zur Seite, die sie einfach nur aus dem Grund ausführlich betrachtet hatte, um einen Überblick über die Landformationen zu gewinnen. »Natürlich.«
    Childress folgte Leung die Leiter hinauf zur Deckluke. Sie kletterten auf feuchten Sprossen zu der kleinen Kuppel hinauf, die sich am oberen Turmende befand. Er half ihr ins Licht hinaus.
    Es war heiß. Die Luft schien praktisch zu schwimmen, und die Sonne brannte wie ein Feuer auf Childress hinab. Sie ignorierte es und sah sich um.
    Eine flache Tropenküste mit einer atemberaubenden Farbmischung und viel saftigem Grün. Das Wasser hatte eine schlammgelbe Tönung und roch nach Salz und Flut. Sie drehte sich um.
    Über ihr erhob sich die Mauer.
    Sie nahm ihr gesamtes Blickfeld ein. Was auf den Qun Dao-Inseln noch ein finsterer Strich am Horizont gewesen war, stellte nun eine so mächtige Präsenz dar, dass sie ihren Kopf ganz nach hinten legen musste, um fast senkrecht an ihr hinauf in den Himmel zu sehen. Die Mauer war mit Ländern übersät – mit Wäldern und Gebirgen und rauschenden Flüssen, die allesamt waagerecht aus dem Fels herausstanden und deren eigene Wolken und Stürme wie die einzelnen Schichten eines Blätterteigs übereinandergelegt waren. Ganz weit oben, wo die Sonne ihre Strahlen über den leuchtenden Rand schickte, glaubte sie Frost zu erkennen – und das Schimmern des Messings.
    »Du meine Güte.«
    »Deine Mauer«, sagte er. »Sie erhebt sich über Singapur, als ob der Himmel der Stadt einen Vorwurf zu machen hätte.«
    »Meine Mauer?« Sie lachte. »Gottes Mauer. Oder die des Himmels, wenn du das bevorzugst. Welchen Vorwurf könnte sie der Stadt denn machen?«
    Er lächelte. »Übertriebener Ehrgeiz wäre mein erster Gedanke.«
    »Vermutlich.« Sie starrte ihre unermessliche Weite und die auf ihr verteilten Landschaften eine Zeit lang an. »Darf ich hierbleiben?«
    »Natürlich.«
    Singapur war ein noch belebterer Hafen als Tainan. Sein Anblick war von solcher Betriebsamkeit bestimmt, dass er sie sogar von der überwältigenden Mauer ablenkte, als die Five Lucky Winds in den Hafen einfuhr.
    Die Mauer erhob sich weiterhin in ihrer unmittelbaren Nähe. Ihre unteren Niederungen waren in Nebel gehüllt,

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