Die rätselhaften Worte
»Ethelbert.«
»Ethelbert.« Sie genoß den Namen wie ein Marmeladen-Doughnut, dann leckte sie sich mit der Zunge gleichsam den Zucker von den Lippen. »Gefällt mir.«
»Wirklich?« Er musterte sie forschend, weil er einen Hinterhalt fürchtete. »Da wärst du die erste. Die meisten Leute können sich kaum halten vor Lachen.«
»Wenn Sie wie ein Softdrink hießen, würden Sie andere auch nicht wegen ihres Namens auslachen.«
»Rye Pomona«, sagte er. »Ich verstehe, was du meinst. Aber das klingt doch nett. Pomona ist doch ein Ort in Italien, oder?«
»Nein«, sagte sie. »Aber es ist italienisch. Pomona war die römische Göttin der Obstbäume.«
Sie wartete darauf, ob er einen Witz reißen oder ein Kompliment vom Stapel lassen würde.
Doch er nickte nur. »Und Rye, das ist ein Spitzname?«
»Eine Abkürzung für Raina.«
»Wie bitte? Den habe ich noch nie gehört.«
Sie buchstabierte ihren Namen und wiederholte die drei Silben dann noch mal ganz langsam:
Rai-ii-na.
»Raina«, wiederholte er. »Raina Pomona. Wirklich hübsch. Okay, es ist ungewöhnlich, aber nicht so bescheuert wie Ethelbert Bowler.«
Sie fand es angenehm, daß er nicht umständlich nach der Herkunft des Namens fragte, sondern so tat, als wäre er nichts Besonderes.
»Stell dein Licht nicht unter den Scheffel«, sagte sie. »Denk positiv. Ethelbert Bowler … klingt wie ein Künstler … das könnte ein viktorianischer Aquarellmaler sein. Interessierst du dich für Kunst, Ethelbert? Unter einem von deinen Hüten?«
»Ich könnte vielleicht eine alte Baskenmütze rauskramen«, antwortete er vorsichtig. »Warum?«
»Die neue Galerie des Zentrums eröffnet übernächste Woche mit einer lokalen Kunst- und Kunsthandwerksausstellung. Die Vernissage ist am Samstag davor um die Mittagszeit. Hast du Lust zu kommen?«
»Gehst du freiwillig hin oder weil du hier angestellt bist?«
»Spielt das eine Rolle?« fragte sie. »Okay, es ist sozusagen eine Pflichtübung. Die Interessen des Kulturzentrums. Wahrscheinlich hast du dafür nichts übrig.«
»Du kannst mich gern auf die Probe stellen, bis ich gähne.«
»In Ordnung. Das Zentrum ist dreigegliedert, verstehst du? Kulturerbe, Kunst, Bibliothek. Die Bibliothek stellt kein Problem dar, Percy Follows war schon vorher der Leiter der Bibliotheksdienste, also ist ihm die neue Position einfach zugefallen. Und es sah so aus, als würde Philomel Carcanet, die Direktorin des alten Stadtmuseums nebst Kunstgalerie in Shuttleworth Hill, genauso selbstverständlich den Kulturerbe- und Kunstbereich des Zentrums übernehmen. Nur, daß ihr alles ein bißchen zu viel wird. Gähnst du schon?«
»Nein, ich hole nur tief Luft vor Erregung.«
»Schön. Mit toten Dingen kann Philomel gut umgehen, Lebendiges jeder Größenordnung jagt ihr hingegen eine Heidenangst ein. Sie war außer sich vor Entzücken, als man beim Ausheben der Baugrube dieses Mosaikpflaster entdeckt hat. Dann wurde beschlossen, es in dieses Projekt ›Römische Erlebniswelt‹ einzubeziehen – das mußt du doch gelesen haben –, ein Mid-Yorkshire-Markt auf dem Höhepunkt der römischen Besatzung?«
Er nickte und hoffte, daß es überzeugend wirkte.
»Ich glaub’s dir.« Sie gab sich keine Mühe, überzeugt zu wirken. »Jedenfalls hieß das, daß Phil sich Gedanken darüber machen mußte, auf die Bedürfnisse leibhaftiger Besucher einzugehen, das heißt, sie mußte sich mit lebendigen Menschen beschäftigen, und das ist ihr über den Kopf gewachsen. Deshalb ist sie krank geschrieben. Unterdessen mußte sich jemand um die neue Kunstgalerie kümmern. Normalerweise würde unser Percy lieber die Beine in die Hand nehmen, als irgendwelche zusätzlichen Aufgaben zu übernehmen, aber es kommt ein neuer Faktor hinzu. Man munkelt, daß der Stadtrat, einmal abgesehen von Stuffer Steel, darüber nachdenkt, einen Direktor für die Gesamtleitung des Zentrums einzusetzen. Und unser Percy bildet sich ein, er sei die erste Wahl für diesen Posten. Aber da ertönt ein Trompetenstoß von oben links. Auftritt Ambrose Bird, der letzte Schauspieler-Direktor.«
»Wer?«
»Wo lebst du eigentlich? Ambrose Bird war Direktor des alten Stadttheaters, bis es letzten Monat geschlossen wurde – hauptsächlich, weil Stadtrat Steel die Bewilligung der Mittel zu hintertreiben wußte, die nötig wären, um das Haus gemäß den heutigen Gesundheits- und Sicherheitsstandards zu renovieren. Damit bleibt dem letzten der Schauspieler-Direktoren nur noch das wesentlich
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