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Die rätselhaften Worte

Die rätselhaften Worte

Titel: Die rätselhaften Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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sie.
    John Wingate wußte nicht genau, wie er seine Affäre mit Jax Ripley in seiner von vielen falschen Entscheidungen geprägten Karriere einordnen sollte. Sie war Journalistin bei der
Gazette
gewesen, als sie sich kennenlernten, und die Aussicht auf ein kleines Abenteuer nach einer Medienparty, bei der Moira, seine Frau, gefehlt hatte, weil sie ihre kranke Mutter in Belfast besuchte, war einfach zu schön gewesen, um nein zu sagen. Und es hatte sich gelohnt. Ihm wurde warm, wenn er daran dachte – und an die anderen Begegnungen, die folgten, insbesondere eine in seinem Büro ein paar Wochen später, als sie zu einem Vorstellungsgespräch erschienen war. »Ich bin wegen der Stellung da«, hatte sie gesagt, war auf seinen Schreibtisch geklettert und hatte die Beine gespreizt. »Wie wär’s mit der für den Anfang?«
    Und unter den zweifellos billigenden Blicken der Rugbymannschaft der Ehemaligen des Unthank College – ihr Foto mit dem vor einigen Jahren mit ihm als Kapitän errungenen Mid-Yorkshire-Cup hing hinter seinem Stuhl an der Wand – akzeptierte er ihr Angebot, und anschließend akzeptierte sie den Job.
    Sie hatte rasch gelernt, und ihr schneller Aufstieg war allein durch ihr Talent zu rechtfertigen. Das sagte er sich jedenfalls immer, wenn er sich so wie jetzt ihren Wünschen beugte. Von Jax war nie die Spur einer Drohung ausgegangen, und sie hatte sich immer äußerst diskret verhalten. Aber das änderte nichts daran, daß er, seit sie hier war, das Gefühl hatte, allmählich die Kontrolle über sein Berufs- und Privatleben zu verlieren. Gott sei Dank konnte er wenigstens sicher sein, daß sie nicht auf seinen Job aus war. Ihr Blick richtete sich über die Hügel in die Ferne auf das grünere Gras von Wood Lane, und wenn seine Fürsprache ihren Aufstieg auf der Karriereleiter beschleunigen konnte, um so besser.
    Vielleicht war das ja die Erklärung, warum sie heute so zerstreut wirkte.
    »Am Montag ist dein großer Tag«, bemerkte er. »Wirst du langsam nervös? Nicht nötig. Das machst du mit links.«
    »Was? Ach, das Vorstellungsgespräch. Nein. Die Nervosität spare ich mir auf, bis ich im Zug sitze.«
    Das nahm er ihr ab. Wahrscheinlich besaß sie tatsächlich so viel Selbstbeherrschung. Sie ließ die Nervosität wohl erst zu, wenn das Vorstellungsgespräch für den Job in der nationalen Nachrichtenredaktion näher rückte, weil nervliche Anspannung die Sinne schärft und Schwung verleiht. Aber bestimmt wußte sie genau, wie weit sie gehen durfte.
    Obwohl Wingate es nicht ahnte, lag er mit dieser Vermutung nicht einmal falsch.
    Jax Ripley mußte eine Entscheidung treffen. Wingates Versicherung, mit ihren Leistungen und seiner Empfehlung hätte sie ihren Vertrag praktisch schon in der Tasche, war gewiß tröstlich, und sie kannte auch keine falsche Bescheidenheit, was ihre Fähigkeiten betraf. Sex setzte sie wohl ein, um schneller voranzukommen, aber nur, wenn sie eine Position anpeilte, die ihr nach eigenem Urteil zustand. Doch obwohl sie ihre Talente hoch einschätzte, war sie nicht so arrogant, sich für einzigartig zu halten. Sich in der überschaubaren Arena von Mid-Yorkshire hervorzutun, war nicht schwer gewesen, aber in den Provinzen wimmelte es von aufkeimenden Talenten, und sie mußte schon etwas Besonderes bieten, um unter den landesweit konkurrierenden Konformisten aufzufallen, die allesamt danach strebten, zu den ganz Großen zu gehören.
    Und jetzt hatte sie etwas Besonderes an der Angel.
    Aber sie mußte auch Risiken einkalkulieren.
    Sie würde damit die Brücken hinter sich abbrechen, das stand fest. Sie hatte sich zur Geheimhaltung verpflichtet. Diesmal würde man die Quelle ihrer Enthüllungen erbarmungslos aufdecken, und ein solcher öffentlicher Verrat hätte zur Folge, daß in Mid-Yorkshire ihr gegenüber keiner mehr den Mund aufmachen würde, selbst wenn sie ihm dafür ihre Schenkel öffnete.
    Und wenn alles schiefging und sich die Sache nur als journalistische Panikmache erwies, dann blühte ihr womöglich der Rausschmiß bei BBC Mid-Yorkshire.
    Andererseits war es ein Knüller. Mit ein paar Anrufen konnte sie Freunde in London aufmerksam machen. Wenn übers Wochenende Mid-Yorkshire landesweit mit Berichten im Fernsehen und in der sonntäglichen Boulevardpresse bedacht wurde, um eine echte Sensation auszugraben – oder zu inszenieren –, dann konnte damit eine Nachrichten-Tsunami ausgelöst werden, die ihr bei ihrem Vorstellungsgespräch am Montag den nötigen Auftrieb

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