Die rätselhaften Worte
letzten Kategorie.
Nämlich von der Polizei. Wer sich nicht meldete, obwohl sie damit rechnete, war der aufgebrachte Informant. Doch eine Stunde nach Ende der Sendung rief der Pressesprecher von Mid-Yorkshire an, ein verbraucherfreundlicher Inspektor von angenehmer Wesensart, hinter der sich ein scharfer Verstand verbarg. Er dachte laut darüber nach, ob es nicht den Interessen beider Seiten diene, wenn BBC und Polizei ein wenig kooperierten. Wenn er beispielsweise verspreche, sie auf dem laufenden zu halten, könne sie ihm vielleicht verraten, woher sie ihre Informationen habe? Sie lachte laut auf, er lachte mit und sagte dann: »Wie Sie meinen. Aber wundern Sie sich nicht, wenn Sie jetzt gleich ein lautes Bellen hören. Das sind meine Kollegen eine Etage höher, die Ihnen mit ihren Rottweilern einen Besuch abstatten.«
Der Deputy Chief Constable, der schließlich bei ihr aufkreuzte, kam ohne Hund, versuchte aber mit seinem eigenen Gebiß Eindruck zu schinden. Er forderte sie unverblümt auf, ihre Informanten preiszugeben. Sie weigerte sich und verwies auf ihr verbrieftes Recht, als Journalistin ihre Quellen nicht zu nennen. Er erläuterte ihr die Pflichten, welche das Gesetz einem jeden auferlegt, der Informationen besitzt, die über ein schon begangenes oder noch zu begehendes Verbrechen Aufschluß geben. Dann wünschte er ihr alles Gute für ihre künftige Karriere, die sich, wie er hoffe, zu ihrem eigenen Besten nicht auf Mid-Yorkshire beschränken würde. Mit einem zähnefletschenden Lächeln verabschiedete er sich und ging.
Du mußt diesen Job in London kriegen, Mädchen, sagte sie sich. Ich glaube, in dieser Gegend könnte es ziemlich ungemütlich werden.
Aber die Pluspunkte waren so zahlreich, daß die Miesmacherei von Mary Agnew und dem Abgesandten der Polizei ihre Stimmung nicht lange trüben konnte. Schließlich gelangte sie zu der Überzeugung, daß die Sache ein voller Erfolg war, und sprudelte vor guter Laune über wie eine Champagnerflasche, wenn der Korken knallt. John Wingate, der auch noch im Studio war, wirkte nun etwas weniger beklommen, da es so aussah, als würden ihre Enthüllungen mehr Beifall als Buhrufe ernten. Sex wäre das richtige Ventil, um sich abzureagieren, also schlug sie vor: »Hast du Lust, das große Ereignis bei mir zu begießen, John?«
Er sah sie an, schaute auf die Uhr, und die Beklommenheit stand ihm wieder ins Gesicht geschrieben. Er denkt daran zurück, wie es war, dachte sie. Er überlegt, daß er mich mit ein bißchen Glück bald los ist, warum also nicht noch einen auf die schnelle mitnehmen? Wenn ich jetzt die Hand nach ihm ausstrecke und sage: »Machen wir’s hier«, würde er sofort über mich herfallen. Aber an einem Quickie auf dem staubigen Büroboden war sie nicht interessiert.
»Du hast recht, John«, sagte sie. »Die Familie geht vor.« Sie küßte ihn leicht auf die Wange und ging im vollen Bewußtsein, daß der entschwindende Anblick ihres schwingenden Hinterteils genügte, ihm bittere Reue einzuflößen. Aber sie wollte keinen Mann, der schon ans Gehen dachte, wenn er zur Tür hereinkam. Heute nacht war alles oder nichts angesagt, und als sie ihre Optionen durchging, sah es eher nach nichts aus. Keiner erfüllte ihre Ansprüche … außer vielleicht … nein, ihn konnte sie nicht anrufen!
Als sie in ihre Wohnung trat, streifte sie als erstes die mörderischen hochhackigen Schuhe ab, die sie bei der Arbeit trug. Obwohl oder gerade weil sie auf die Leute losging wie Penthesilea, fühlte sie sich, vor allem vor der Kamera, ziemlich unsicher wegen ihrer Größe. Als nächstes folgten die Kleider. Sie ließ sie liegen, wo sie hinfielen, und schlüpfte in ihren weichen Seidenmorgenmantel und in ein Paar unschöne, aber sagenhaft bequeme Lederpantoffeln. Da sie viel zu aufgedreht war, um ans Schlafen zu denken, setzte sie sich an den Computer und tippte eine E-Mail an den einzigen Menschen, mit dem sie (beinahe!) völlig offen reden konnte: ihre Schwester Angie in Amerika. Das war zwar kein Sex, aber auch eine Form des Dampfablassens nach einem Tag, an dem sie jedes Wort auf die Goldwaage gelegt hatte.
Als sie fertig war, läutete das Telefon.
Sie nahm ab und meldete sich. »Hallo.«
Eine Stimme sprudelte drauflos.
Sie lauschte und fragte dann ungläubig: »Und Sie haben tatsächlich diesen dritten Dialog bei sich?«
»Ja. Aber ich muß ihn morgen abgeben. Wenn Sie ihn sehen wollen …«
»Natürlich will ich ihn sehen. Könnten Sie zu mir
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