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Die rätselhaften Worte

Die rätselhaften Worte

Titel: Die rätselhaften Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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warten.
    Selbst Jax war verblüfft über das Ausmaß der Reaktionen.
    Eine Flut von Anrufen, Faxen, E-Mails und persönlichen Besuchen brach über sie herein, wobei sich jedoch vier klar unterscheidbare Kategorien herausschälten.
    Zur ersten gehörten ihre Arbeitgeber, angefangen mit Wingate bis hinauf zum Topmanagement in London und dessen juristischen Orakeln. Sobald diese mit den üblichen Warnungen und Vorbehalten verkündet hatten, daß sie höchstwahrscheinlich für die Sendung nicht belangt werden konnte, mutierte Jax rasch von einer potentiellen Belastung zum Ministar. Das war ein Knüller im alten Stil, etwas, was man in den landesweiten Anstalten, geschweige denn in den Lokalsendern, nur noch selten erlebte. Daher rührte das Interesse der zweiten Kategorie, der übrigen Medien.usatz
    Sobald Jax den Entschluß gefaßt hatte, die Sache durchzuziehen, hatte sie ihre Absicht in mehreren potentiell ertragreichen Territorien ausgestreut. Da man an Reklametricks gewöhnt war, hatte das niemanden vom Hocker gerissen, aber jetzt lag Blutgeruch in der Luft, und überall streckten Schakale witternd die Schnauze in die Luft. Wenn an dieser Story etwas dran war, dann war es Irrsinn, nicht von Anfang an einzusteigen, und als der Abend zu Ende ging, hatte sich Jax zu einem Beitrag beim staatlichen Rundfunk, einer TV -Talkshow und einem Artikel in einer Sonntagsboulevardzeitung verpflichtet, während eine seriösere Tageszeitung Verhandlungen wegen einer Reportage aufgenommen hatte. Auch Mary Agnew von der
Gazette
hatte angerufen. Als Pragmatikerin hielt sie sich nicht damit auf, ihre ehemalige Mitarbeiterin zu tadeln, weil sie ihr die Story vor der Nase weggeschnappt hatte.
    »Gut gemacht, Schätzchen«, sagte sie. »Du hast einen prima Start hingelegt, aber jetzt wirst du meine Hilfe brauchen.«
    »Warum denn, Mary?«
    »Weil deine Quelle bei der Polizei jetzt, wo du sie durch den Dreck gezogen hast, austrocknen wird wie eine Mumie«, erwiderte Mary. »Und weil dieser Verrückte – sofern es ihn überhaupt gibt, was noch fraglich erscheint – sein Material an die
Gazette
schickt. Wenn also der nächste kommt …«
    »Weshalb glaubst du, daß es einen nächsten geben wird, wo du doch so skeptisch bist?« fiel ihr Jax ins Wort.
    »Deinetwegen, Schätzchen. Du hast das praktisch in die Wege geleitet. Selbst wenn es vorher ein Scherz war, hast du dafür gesorgt, daß nun jeder Irre im County versuchen wird, auf den fahrenden Zug aufzuspringen. Und nur Gott weiß, wie weit manche von denen zu gehen bereit sind. Ich melde mich wieder. Schlaf gut.«
    Miststück, dachte Jax. Sie ist am Boden zerstört, aber versucht sich schadlos zu halten, indem sie mich aushorcht. Brauche ich sie? Wahrscheinlich nicht. Andererseits ist es Unsinn, ihr eine Abfuhr zu erteilen, solange ich mir nicht sicher bin.
    Aber die dritte Kategorie, die Anrufe der Zuschauer, ließ ahnen, daß Mary vielleicht gar nicht falsch lag. Manche waren verstört, manche unverschämt, andere ziemlich wirr, einige sprachen unverhohlene Drohungen aus, aber keiner lieferte irgendwelche nützlichen Hinweise. Alle Anrufe wurden aufgezeichnet, für die Polizei wurden Kopien bereitgestellt. Ein Tonband war jedoch nicht für die Ohren der Polizei bestimmt. Es war das Gespräch mit Stadtrat Cyril Steel, der darauf hoffte, daß sie ihm weitere Munition für seine Attakken gegen die Polizei liefern würde. Wie Mary Agnew spielte er auf nationaler Ebene keine Rolle, war aber der Lokalmatador im Kreuzzug gegen Verschwendung und Korruption. Er hatte ihr schon viele gute Tips gegeben, und das beste dabei war, daß im Gegenzug nur sein gefräßiger Bauch zufriedengestellt werden mußte. Erfreut stellte er nun fest, daß sich diese Situation weidlich ausschlachten ließ. Entweder hatte die Polizei ihre Pflichten verletzt, indem sie dem Stadtrat verschwiegen hatte, daß womöglich ein Serienmörder in der Stadt sein Unwesen trieb, oder die regierende Partei hatte die ihren vernachlässigt, indem sie diese Information für sich behielt. Da sie nun auf ihren Verbündeten bei der Polizei verzichten mußte, war sie über jede Unterstützung von höherer Ebene froh, auf die sie in Mid-Yorkshire noch bauen konnte. Geschlagene zehn Minuten lang hörte sie sich den Sermon des Stadtrats mit dem üblen Mundgeruch an, bis sie ihm mit dem Versprechen, ihn über alle weiteren Entwicklungen zu informieren, das Wort abschnitt.
    Jetzt lehnte sie sich zurück und wartete auf die Anrufe der

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