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Die rätselhaften Worte

Die rätselhaften Worte

Titel: Die rätselhaften Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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kreuchenden, fleuchenden und schwimmenden Getiers, das er mit viel Hingabe abschlachtete. Hätte man ihn als Kind in den kalten Bergen ausgesetzt – vormals eine in höheren Kreisen beliebte Alternative zu teuren Privatschulen –, er hätte sicher den erstbesten Wolf oder Bären mit bloßen Händen erledigt und anschließend verspeist. Tatsächlich hatten ihn seine Eltern, wie der Artikel in der Zeitungsbeilage zu berichten wußte, im zarten Alter von zehn Jahren sogar noch schlimmerer Vernachlässigung ausgesetzt als bloß den Elementen. Sein Vater, Baron Pyke-Strengler of the Stang, im Oberhaus bekannt als streitbarer Tierschützer, war mit einer australischen Anthropologin nach Tahiti durchgebrannt. Seine Mutter, eine Frau mit eigenwilligen religiösen Ansichten, verschwand daraufhin für fünfundzwanzig Jahre in der Kommune einer kalifornischen Veganersekte. So wuchs der kleine Honourable Geoffrey ganz allein auf. Dabei konnte er zusehen, wie sein Erbe zusammenschmolz, aufgezehrt von den sehr unterschiedlichen, aber beiderseits keineswegs bescheidenen finanziellen Bedürfnissen seiner abwesenden Eltern. Als er die Volljährigkeit erreichte, war ihm nur der unantastbare Erbteil geblieben, der aus dem Stammhaus (mittlerweile als Erholungsheim an ein Unternehmen vermietet) sowie großen Teilen von Stangdale bestand, wo ein paar baufällige Bauernhäuser standen.
    In Anbetracht der Vorlieben seiner Eltern war es vielleicht kein Wunder, daß der Honourable Geoffrey der Natur den Krieg erklärt hatte und draußen in der Wildnis jene Jägerinstinkte kultivierte, für die er mit Recht berühmt war.
    Auch in geschlossenen Räumen konnte er erhebliche Zerstörungskraft entfalten, doch hatten die Verwüstungen, die er hier anrichtete, mehr den Charakter von Unfällen. Auf seinem Weg stieß er einen Tisch um, auf dem einige Holzschalen ausgestellt waren, machte eine Ausweichbewegung nach links, um sie nicht zu zertreten, und brachte dabei eine junge Frau aus dem Gleichgewicht, die ein Tablett mit Weingläsern balancierte. Als er sich unter dem Chardonnay-Regen wegduckte, fügte er dem Arm der Frau Bürgermeisterin einige böse Abschürfungen mit seiner uralten Reitjacke zu, die aus dem borstigsten und kratzigsten Tweed genäht war, den die Menschheit je ersonnen hat.
    Schließlich stand er vor ihnen und lächelte gütig in die Runde. Er besaß einen sympathischen und treuen Hundeblick, ja, man konnte sich vorstellen, daß er einem bei der kleinsten Ermunterung die Pfoten auf die Schultern legen und das Gesicht ablecken würde.
    Mary Agnew stellte ihn vor. Als sie den Literaturwettbewerb erwähnte, nickte er vielsagend und meinte: »Kurzgeschichten und so ’n Zeug, was? Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, heißt es nicht so? Und eine ordentliche doppelläufige Flinte ist mehr wert als tausend Bilder, so sehe ich das. Aber es hätte schlimmer kommen können. Zum Beispiel ein Romanwettbewerb. Dann wär’s wirklich hart geworden.«
    »War es nicht Tschechow, der gesagt hat, die Leute würden nur Romane schreiben, weil sie für Kurzgeschichten keine Zeit hätten?« warf Johnson ein.
    »Ich glaub’, da haben Sie was durcheinandergebracht, mein Freund«, meinte der Honourable gutmütig.
    »Geoffrey«, sagte Mary Agnew, »ich dachte, vielleicht könntest du ein wenig Unterstützung bei der Beurteilung dieser Geschichten gebrauchen …«
    »Nicht nötig. Habe gerade mit Dick darüber gesprochen. Er versprach mir, mich nicht im Stich zu lassen. Ein netter Mensch, Dick«, sagte der Honourable, vor Selbstvertrauen strahlend. »Aber egal, wer einen guten Terrier erkennt, der kann auch das bißchen Gekritzel beurteilen.«
    Pascoe nahm nicht ohne Interesse zur Kenntnis, daß der Honourable auf so vertrautem Fuß mit Dee stand, der, soweit er wußte, keinerlei Neigung zur Jägerei zeigte.
    »Trotzdem«, sagte Agnew mit der Bestimmtheit einer Autoritätsperson, »ich habe entschieden, daß du das nicht allein bewältigen mußt, und Dr. Johnson hier und seine Kollegen gebeten, eine Jury zu bilden. Mit dir zusammen natürlich.«
    »Nein, da steige ich aus«, antwortete der Honourable. »Allein hätte ich’s gemacht, noblesse oblige, die Pflicht ist mir heilig und so weiter, aber das ist was anderes. Jurys kann ich nicht ausstehen. Viel Glück, alter Freund.« (Letzteres zu Johnson.) »Paß aber auf, daß sie dir den üblichen Satz bezahlt.«
    Johnson blickte bei der Erwähnung von Geld überrascht auf, doch Penn bekam glänzende

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