Die rätselhaften Worte
antwortete Follows. »Ich muß ehrlich zugeben, Mary und ich hatten keine Ahnung, was da auf uns zukommt. Meine Mitarbeiter erledigen die Vorsortierung, und schon das hat sich zu echter Arbeit ausgewachsen. Wir hatten weit über siebenhundert Einsendungen, das ist nicht gerade wenig, und ich möchte sicherstellen, daß unsere Gewinner wirklich die
crème de la crème
sind.«
»Langer Rede kurzer Sinn«, sagte Ellie unverblümt, »Mary und Percy halten nach Experten für die Jury Ausschau. Sie haben sich selbstverständlich an Charley gewandt, der unser kultureller Lokalmatador ist und so freundlich war, meine Anwartschaft auf einen solchen Ehrenposten ins Spiel zu bringen, und dann sind wir natürlich auch auf Sie gekommen.«
»Ja«, sagte Agnew. »Sie machen doch da so ein Schreibseminar, und ich habe den Eindruck, etliche der Einsender könnten sich dafür interessieren. Das wäre also auch eine Werbekampagne für Sie.«
Hätte Johnson ein Monokel gehabt, so hätte er es jetzt sicher aufgesetzt. Pascoe konnte es ihm nicht verübeln. Seit das Seminar für kreatives Schreiben an der Universität von Mid-Yorkshire ins Leben gerufen worden war, hatte die
Gazette
unermüdlich bekrittelt, ob dies denn eine sinnvolle Verwendung von Bildungsressourcen und Lehrpersonal wäre, da es hierzulande doch bedauerlicherweise so vielen jungen Menschen an Fortbildungsmöglichkeiten in Bereichen mangelte, die mehr Bezug zur Lebenswirklichkeit hatten.
Es war nicht schwer, zu erraten, wie dieser Sinneswandel zustande gekommen war.
Agnew und Follows hatten anfänglich den Literaturwettbewerb so wenig ernst genommen, daß der Bibliothekar Dick Dee mit der Vorauswahl betraut hatte, während Agnew die endgültige Entscheidung dem Honourable Geoffrey Pyke-Strengler zugeschanzt hatte. Zwei Dinge hatten sich inzwischen ereignet. Zunächst einmal waren sie von der schieren Masse der Einsendungen überrascht worden. Und dann war der Literaturwettbewerb nach Jax Ripleys letzter Sendung und ihrer darauffolgenden Ermordung durch den Wordman einer breiten Öffentlichkeit ins Bewußtsein gerückt worden. Zwar bestand im Grunde kein Zusammenhang zu den Ermittlungen, doch war zu erwarten, daß sich die landesweiten Medien, die gewöhnlich nach jedem Krümel schnappten, der von solch reichgedecktem Tisch fällt, begierig auf das Ergebnis des Wettbewerbs stürzen würden. So war bereits in einer illustrierten Zeitungsbeilage ein Porträt von Pyke-Strengler erschienen. Er entsprach exakt dem Typus des anachronistischen Aristokraten, wie ihn uns Wodehouse beschrieben hat. Seine Antworten auf die Fragen des Reporters waren samt und sonders von vagem Erstaunen über das ganze Theater geprägt, ein Gemütszustand, der auch dem beigefügten Porträtfoto zu entnehmen war. Eines jedoch war trotz all der Vagheit deutlich geworden – dieser Mann war denkbar ungeeignet, literarische Qualität zu beurteilen.
Und die alte Füchsin Agnew war nun plötzlich ganz erpicht darauf, eine Jury von Literaturexperten zusammenzustellen, damit ihre Zeitung nicht völlig unbedarft erschien. Charley Penn war da eine naheliegende Wahl. Er hatte den Ball an Ellie weitergegeben, die ihrerseits Sam Johnson ins Spiel gebracht hatte, der nun gerade sagte: »Aber Sie haben doch schon einen Juror eingesetzt: Mr. Pyke-Strengler. Ist er nicht auch hier? Ich hatte einmal Gelegenheit, einige seiner Tieraquarelle zu bewundern, wahrscheinlich gemalt, bevor er die Viecher abgeknallt hat. Ist er über die neuen Pläne im Bilde?«
»Falls nicht«, meinte Ellie, »so bietet sich jetzt die Gelegenheit dazu. Er unterhält sich da drüben mit Mr. Dee. Vielleicht reden sie ja über den Wettbewerb.«
Dick Dee und sein Gesprächspartner waren offensichtlich in eine ernste Diskussion vertieft. Mary Agnew hätte die beiden gewiß nicht gestört, aber wenn Ellie sich in den Kopf gesetzt hatte, Unheil anzurichten, dann war sie nicht zu bremsen, und so rief sie laut: »Hallo! Mr. Pyke-Strengler! Hätten Sie einen Augenblick Zeit?«
Sie zwinkerte Johnson zu, der zurückgrinste. Dann beobachteten alle, wie der Honourable Geoffrey Pyke-Strengler auf sie zuschlenkerte.
In der Wildnis, weitab jeglicher menschlicher Behausung, in den Bergen, im Moor oder am Ufer eines Flusses, war der Honourable nach allem, was man so über ihn hörte – hauptsächlich von ihm selbst – völlig eins mit seiner Umgebung: leichtfüßig, mit wachen Sinnen und ungeheuer erfindungsreich im Aufspüren all des
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