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Die rätselhaften Worte

Die rätselhaften Worte

Titel: Die rätselhaften Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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paar Erfahrungen gemacht, unter denen eine schwächere Frau zusammengebrochen wäre, und wenn sie jetzt lachte, nahm er nur erleichtert zur Kenntnis, daß es ihr gut ging. Gerade hörte er sie lachen, und über Johnsons Schulter hinweg sah er sie bei dem Trio Charley Penn, Percy Follows und Mary Agnew. Wer von ihnen Ellie zum Lachen gebracht hatte, war nicht auszumachen, aber Pascoe empfand nichts als Dankbarkeit. Nicht, daß einer der Männer in dieser Runde in der Lage gewesen wäre, bei ihm Eifersucht zu wecken. Penn mit seinen tiefliegenden Augen und eingesunkenen Wangen war kaum eine romantische Bedrohung, während Follows mit seiner honigblonden Mähne, seiner exaltierten Gestik, seiner blumigen Sprache, seiner Fliege und seiner grellen Weste zu der Sorte Mensch gehörte, die Ellie ungnädig als Schaumschläger bezeichnete. »Es ist mir gleich, ob er schwul ist oder nicht«, hatte sie einmal gesagt, »ich kann es nur nicht ausstehen, daß er das als modische Attitüde vor sich herträgt.«
    Hier war also keine Eifersucht im Spiel, und nicht einmal im Fall des viel begehrenswerteren jungen Hochschuldozenten. Was hatte Johnson also an sich, das ihm so mißfiel?
    Schließlich war er widerstrebend zu dem Schluß gekommen, daß Johnson für ihn manches in Frage stellte, genauer gesagt, wirkte er wie ein Kommentar zu Pascoes Leben.
    Vor etlichen Jahren hatte er am Ende seines Studiums unschlüssig an einem Scheideweg gestanden; dann hatte er, nicht frei von reumütigen Anwandlungen, den Weg eingeschlagen, der ihn dorthin gebracht hatte, wo er jetzt stand.
    Der andere Weg, so durfte er vermuten, hätte ihn in eine vergleichbare Position geführt, wie sie Johnson nun innehatte. Sie waren fast gleich alt, doch Sam sah jünger aus. Auch seine Kleidung und seine Art, sich auszudrücken, wirkten jünger. Auf dem Campus hätte ein oberflächlicher Beobachter wahrscheinlich Mühe gehabt, ihn von seinen Studenten zu unterscheiden. Und doch konnte er auf Konferenzen oder im akademischen Senat aufgrund seines brillanten Karrierestarts und der Aussicht auf weiteren Lorbeer seinen Platz als angesehener Kollege, ja, sogar als möglicher Vorgesetzter einnehmen. Zumindest hatte er die Aussicht, seine reifen Jahre in komfortablen, altehrwürdigen Räumen mit Blick auf gepflegten Rasen und einen Fluß zu verbringen, auf dem während der Vorlesungszeit Kähne und während der langen Ferien Schwäne dahindümpelten …
    Na gut, das war wohl ein allzu idealisiertes Bild des akademischen Lebens, und selbst, wenn es der Realität entsprach, fand Johnson es vielleicht gar nicht erstrebenswert. Für Pascoes Laufbahn aber konnten nicht einmal die gewagtesten Phantasien eine vergleichbar pastorale Idylle zeichnen.
    Für ihn gab es nur Plackerei und Plagen, Pein und Prüfungen, bis ihn jener Rasen deckte, der das einzig Pastorale war, das ihm die Zukunft zu bieten hatte.
    Andererseits hatte er kein Alkoholproblem, und auch sein Herz war, wie man ihm bei seinem jährlichen Medizincheck versichert hatte, in bester Verfassung.
    Johnson sah ihn an, als erwarte er eine Antwort.
    »Entschuldigung«, sagte Pascoe. »Bei all dem Lärm hier versteht man kaum etwas.«
    Laut und deutlich, als befände er sich in einem Hörsaal mit schlechter Akustik, wiederholte Johnson: »Wir alle machen Fehler, Peter, habe ich gesagt. Glücklicherweise kommen die meisten von uns darüber hinweg, und das Leben geht weiter.«
    Einen Augenblick hatte Pascoe das Gefühl, Johnson hätte seine Gedanken erraten, doch dann fuhr der Dozent fort: »Und es ist sicherlich nicht angenehm für Franny, wenn er sich ständig beobachtet fühlt.«
    Und für mich ist es etwa nicht unangenehm? fragte sich Pascoe. Aber damit wäre das Gespräch in eine Sackgasse geraten, deshalb sagte er mit leisem Lächeln: »Hängt davon ab, wer der Beobachter ist. Ich glaube, einer von uns beiden wird verlangt.«
    Ellie hatte gewunken. Er winkte zurück, und als Antwort zeigte sie mit dem Finger auf Johnson.
    »Du, glaube ich«, sagte Pascoe.
    Er schloß sich Johnson an. Charley Penn nickte ihnen beiden zu und begrüßte sie mit einem Lächeln. »Sam, darf ich dir Percy Follows vorstellen, den Direktor der Bibliothek? Und Mary Agnew, Chefredakteurin der
Gazette

    »Hallo«, sagte Johnson.
    »Percy hat mir gerade von dem Literaturwettbewerb erzählt, den die Bibliothek und die
Gazette
gemeinsam veranstalten. Offensichtlich haben sie alle Hände voll zu tun mit der Beurteilung der Beiträge.«
    »Ja«,

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