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Die Raeuber

Die Raeuber

Titel: Die Raeuber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schiller
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die Schmerzerinnerung aus der Seele lächeln, seid doch heiter, lieber Vater! ich bin’s so ganz. Hat er nicht schon den himmlischen Hörern den Namen Amalia vorgesungen auf der seraphischen Harfe, und die himmlischen Hörer lispelten leise ihn nach? Sein letzter Seufzer war ja, Amalia! wird nicht sein erster Jubel, Amalia! sein?
    DER ALTE MOOR
    Himmlischer Trost quillt von deinen Lippen! Er wird mir lächeln, sagst du? Vergeben? du musst bei mir bleiben, Geliebte meines Karls, wenn ich sterbe.
    AMALIA
    Sterben ist Flug in seine Arme. Wohl Euch! Ihr seid zu beneiden. Warum sind diese Gebeine nicht mürb? warum diese Haare nicht grau? Wehe über die Kräfte der Jugend! Willkommen, du markloses Alter! näher gelegen dem Himmel und meinem Karl.
    Franz tritt auf
    DER ALTE MOOR
    Tritt her, mein Sohn! Vergib mir, wenn ich vorhin zu hart gegen dich war! Ich vergebe dir alles. Ich möchte so gern im Frieden den Geist aufgeben.
    FRANZ
    Habt Ihr genug um Euren Sohn geweint? Soviel ich sehe, habt Ihr nur einen.
    DER ALTE MOOR
    Jakob hatte der Söhne zwölf, aber um seinen Joseph hat er blutige Tränen geweint.
    FRANZ
    Hum!
    DER ALTE MOOR
    Geh, nimm die Bibel, meine Tochter, und lies mir die Geschichte Jakobs und Josephs! Sie hat mich immer so gerührt, und damals bin ich noch nicht Jakob gewesen.
    AMALIA
    Welches soll ich Euch lesen? (Nimmt die Bibel und blättert.)
    DER ALTE MOOR
    Lies mir den Jammer des Verlassenen, als er ihn nimmer unter seinen Kindern fand – und vergebens sein harrte im Kreis seiner eilfe – und sein Klagelied, als er vernahm, sein Joseph sei ihm genommen auf ewig –
    AMALIA
    (liest) »Da nahmen sie Josephs Rock, und schlachteten einen Ziegenbock, und tauchten den Rock in das Blut, und schickten den bunten Rock hin, und ließen ihn ihrem Vater bringen, und sagen: Diesen haben wir funden, siehe, ob’s deines Sohnes Rock sei oder nicht? (Franz geht plötzlich hinweg.) Er kannte ihn aber und sprach: Es ist meines Sohnes Rock, ein böses Tier hat ihn gefressen, ein reißend Tier hat Joseph zerrissen! –«
    DER ALTE MOOR
    (fällt aufs Kissen zurück) Ein reißend Tier hat Joseph zerrissen!
    AMALIA
    (liest weiter) »Und Jakob zerriss seine Kleider, und legte einen Sack um seine Lenden, und trug Leide um seinen Sohn lange Zeit, und all sein Söhne und Töchter traten auf, dass sie ihn trösteten, aber er wollte sich nicht trösten lassen und sprach: Ich werde mit Leid hinunterfahren –«
    DER ALTE MOOR
    Hör auf, hör auf! Mir wird sehr übel.
    AMALIA
    (hinzuspringend, lässt das Buch fallen) Hilf Himmel! Was ist das?
    DER ALTE MOOR
    Das ist der Tod! – Schwarz – schwimmt – vor meinen – Augen – ich bitt dich – ruf dem Pastor – dass er mir – das Abendmahl reiche – Wo ist – mein Sohn Franz?
    AMALIA
    Er ist geflohen! Gott erbarme sich unser!
    DER ALTE MOOR
    Geflohen – geflohen von des Sterbenden Bett? – – Und das all – all – von zwei Kindern voll Hoffnung – du hast sie – gegeben – hast sie – genommen – – dein Name sei – –
    AMALIA
    (mit einem plötzlichen Schrei) Tot! Alles tot! (Ab in Verzweiflung.)
    Franz hüpft frohlockend herein.
    FRANZ
    Tot! schreien sie, tot! Itzt bin ich Herr . Im ganzen Schlosse zetert es, tot ! – Wie aber, schläft er vielleicht nur? – freilich, ach freilich! das ist nun freilich ein Schlaf, wo es ewig niemals »Guten Morgen« heißt – Schlaf und Tod sind nur Zwillinge. Wir wollen einmal die Namen wechseln! Wackerer, willkommener Schlaf! Wir wollen dich Tod heißen! (Er drückt ihm die Augen zu.) Wer wird nun kommen, und es wagen, mich vor Gericht zu fordern? oder mir ins Angesicht zu sagen: Du bist ein Schurke ! Weg dann mit dieser lästigen Larve von Sanftmut und Tugend! Nun sollt ihr den nackten Franz sehen, und euch entsetzen! Mein Vater überzuckerte seine Forderungen, schuf sein Gebiet zu einem Familienzirkel um, saß liebreich lächelnd am Tor, und grüßte sie Brüder und Kinder. – Meine Augbraunen sollen über euch herhangen wie Gewitterwolken, mein herrischer Name schweben wie ein drohender Komet über diesen Gebirgen, meine Stirne soll euer Wetterglas sein! Er streichelte und koste den Nacken, der gegen ihn störrig zurückschlug. Streicheln und Kosen ist meine Sache nicht. Ich will euch die zackigte Sporen ins Fleisch hauen, und die scharfe Geißel versuchen. – In meinem Gebiet soll’s so weit kommen, dass Kartoffeln und Dünnbier ein Traktament für Festtage werden, und wehe dem, der

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