Die Raeuber
gewechselt – der Mensch entstehet aus Morast, und watet eine Weile im Morast, und macht Morast, und gärt wieder zusammen in Morast, bis er zuletzt an den Schuhsohlen seines Urenkels unflätig anklebt. Das ist das Ende vom Lied – der morastige Zirkel der menschlichen Bestimmung, und somit – glückliche Reise, Herr Bruder! Der milzsüchtige, podagrische Moralist von einem Gewissen mag runzligte Weiber aus Bordellen jagen, und alte Wucherer auf dem Todesbett foltern – bei mir wird er nimmermehr Audienz bekommen! (Er geht ab.)
Dritte Szene
Andres Zimmer im Schloss.
Räuber Moor von der einen Seite, Daniel von der andern.
MOOR
(hastig) Wo ist das Fräulein?
DANIEL
Gnädiger Herr! Erlaubt einem armen Mann, Euch um etwas zu bitten.
MOOR
Es ist dir gewährt, was willst du?
DANIEL
Nicht viel, und alles, so wenig und doch so viel – lasst mich Eure Hand küssen!
MOOR
Das sollst du nicht, guter Alter! (Umarmt ihn.) Den ich Vater nennen möchte.
DANIEL
Eure Hand, Eure Hand! ich bitt Euch.
MOOR
Du sollst nicht.
DANIEL
Ich muss! (Er greift sie, betrachtet sie schnell und fällt vor ihm nieder.) Lieber, bester Karl!
MOOR
(erschrickt, fasst sich, fremd) Freund, was sagst du? Ich verstehe dich nicht.
DANIEL
Ja, leugnet es nur, verstellt Euch! Schön, schön! Ihr seid immer mein bester, köstlicher Junker – Lieber Gott! dass ich alter Mann noch die Freude – dummer Tölpel ich, dass ich Euch nicht gleich – ei du himmlischer Vater! so seid Ihr ja wiedergekommen, und der alte Herr ist unterm Boden, und da seid Ihr ja wieder – was für ein blinder Esel ich doch war (sich vor den Kopf schlagend), dass ich Euch nicht im ersten Hui – ei du mein! wer hätte sich das träumen lassen! – um was ich mit Tränen betete. – Jesus Christus! Da steht er ja leibhaftig wieder in der alten Stube!
MOOR
Was ist das für eine Sprache? Seid Ihr vom hitzigen Fieber aufgesprungen, oder wollt Ihr eine Komödienrolle an mir probieren?
DANIEL
Ei pfui doch, pfui doch! Das ist nicht fein, einen alten Knecht so zum Besten haben – Diese Narbe! He, wisst Ihr noch? – Großer Gott! Was Ihr mir da für eine Angst einjagtet – ich hab Euch immer so lieb gehabt, und was Ihr mir da für Herzeleid hättet anrichten können – Ihr saßt mir im Schoß – wisst Ihr noch? – dort in der runden Stube – gelt, Vogel? Das habt Ihr freilich vergessen – auch den Kuckuck, den Ihr so gern hörtet – denkt doch! der Kuckuck ist zerschlagen, in Grundsboden geschlagen – die alte Susel hat ihn verwettert, wie sie die Stube fegte – ja freilich, und da saßt Ihr mir im Schoß und rieft Hotto! und ich lief fort, Euch den Hottogaul zu holen – Jesus Gott! Warum musst ich alter Esel auch fortlaufen? – und wie mir’s siedigheiß über den Buckel lief – wie ich das Zetergeschrei höre draußen im Öhrn, spring herein, und da lief das helle Blut, und laget am Boden und hattet – heilige Mutter Gottes! War mir’s nicht, als wenn mir ein Kübel eiskalt Wasser übern Nacken spritzte – aber so geht’s, wenn man nicht alle Augen auf die Kinder hat. Großer Gott, wenn’s ins Aug gegangen wäre – war’s darzu noch die rechte Hand. Mein Lebenstag, sagt ich, soll mir kein Kind mehr ein Messer oder eine Schere oder so was Spitziges, sagt ich, in die Hände kriegen, sagt ich – war zum Glück noch Herr und Frau verreiset – ja, ja, das soll mir mein Tag des Lebens eine Warnung sein, sagt ich – Jemini, jemini! ich hätte vom Dienst kommen können, ich hätte – Gott der Herr verzeih’s Euch, gottloses Kind – aber gottlob! es heilte glücklich bis auf die wüste Narbe.
MOOR
Ich begreife kein Wort von allem, was du sagst.
DANIEL
Ja gelt, gelt? das war noch eine Zeit? Wie manches Zuckerbrot, oder Biskuit oder Makrone ich Euch hab zugeschoben, hab Euch immer am gernsten gehabt, und wisst Ihr noch, was Ihr mir drunten sagtet im Stall, wie ich Euch auf des alten Herrn seinen Schweißfuchsen setzte, und Euch auf der großen Wiese ließ herumjagen? Daniel, sagtet Ihr, lass mich nur einen großen Mann werden, Daniel, so sollst du mein Verwalter sein, und mit mir in der Kutsche fahren – Ja, sagt ich und lachte, wenn Gott Leben und Gesundheit schenkt, und Ihr Euch eines alten Mannes nicht schämen werdet, sagt ich, so will ich Euch bitten, mir das Häuschen drunten im Dorf zu räumen, das schon eine gute Weil leer steht, und da wollt ich mir ein Eimer zwanzig Wein einlegen, und wirtschaften
Weitere Kostenlose Bücher