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Die Raffkes

Die Raffkes

Titel: Die Raffkes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndorf Jacques
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explodiert! Jede Menge Tote, hat Gitta gesagt.« »Lassen Sie mich bitte durch«, bat Mann höflich. »Ich habe dort zu tun.« »Det sagense alle!«, knurrte ein Zuschauer, ließ ihn aber vorbei. Er erreichte eines der rot-weißen Plastikbänder und stieg darüber hinweg. Jemand links meckerte: »He, keine Ausnahme, Männeken. Was wollen Sie denn?« Mann zückte seinen Dienstausweis: »Staatsanwaltschaft.« »Ja denn«, grummelte der Uniformierte enttäuscht. Mann begann erneut zu laufen, immer eng an den Häusern entlang. Er hatte das Gefühl, sich in einem Chaos zu bewegen, ohne dass etwas von Chaos zu sehen war. Endlich erreichte er den Lehniner Platz. Geradeaus vor ihm drehten sich unzählige blaue Lichter. Ein Mann rief wütend: »Verbandszeug, du Arschloch, Verbandszeug!« Mann registrierte weißen, mehligen Staub in der Luft. Er musste erneut husten. Aus dem Dunst vor ihm tauchte eine Frau auf. Sie kam nicht direkt auf ihn zu, sondern irrte mit unnatürlichen Trippelschritten zwischen den geparkten Autos herum. Sie erweckte den Eindruck eines hilflosen Menschen in einem Labyrinth. Auf einmal hielt sie inne, stützte sich mit der Linken auf den Kofferraum eines Autos, beugte sich vor und übergab sich. »Hallo!« Mann fühlte sich unsicher und fasste sie leicht an die Schulter. »Was ist los?« Sie hob den Kopf, starrte ihn an und sagte kein Wort. Ihre Augen waren weit aufgerissen und grau. Sie war eine hübsche Frau, Mitte zwanzig und über und über mit grauem Staub bedeckt. Sie keuchte, als habe sie eine ungeheure Anstrengung hinter sich, und ihr Mund zuckte. Dann übergab sie sich auf Manns Schuhe. »Nicht schlimm«, murmelte Mann hilflos, ließ sie los und setzte sich wieder in Bewegung. Nun sah er die Leuchtschrift:  Francucci’s . Die Buchstabenleiste war abgeknickt und wirkte wie eine müde Flagge. »Was ist passiert?«, fragte Mann einen Sanitäter, der erschöpft an einem Fahrzeug lehnte. Er trug einen weißen Overall und auf seinem Bauch war ein großer Blutfleck. In der Hand hielt er eine Flasche Bier. »Wohl eine Bombe«, antwortete er geistesabwesend. »Terroristen.« Eine hohe, heisere Männerstimme schrie: »Die Einsatzgruppe hierher nach draußen!« »Dauernd schreit der«, sagte der Sanitäter verächtlich. »Seit ich hier bin, schreit der rum!« »Wie viele Verletzte gibt es denn?«, fragte Mann sachlich. Seine Stimme kam ihm fremd vor. »Verletzte? Tote! Zwanzig, was weiß ich«, antwortete der Sanitäter asthmatisch. Die Explosion hatte das Restaurant nach draußen auf die Straße geblasen, als habe das Haus wild ausgespuckt. Wo vorher Fenster und Türen gewesen waren, befanden sich nun riesige Löcher. 
    Mann wandte sich dem Gebäude zu und stolperte über ein Gewirr von Aluminiumleisten und glatten Flächen. Auf einer dieser Flächen waren die Reste eines Werbeplakats zu erkennen.  Bohlen – der Zauberer , las er und erinnerte sich, dass hier ein Zeitungskiosk und eine Bushaltestelle gestanden hatten. Wieder schrie der Mann mit der hohen Stimme: »Keiner geht da rein! Wirklich keiner!« Mann bewegte sich auf das zerstörte Haus zu und spürte, dass seine Schritte schwer wurden. Er schlängelte sich zwischen zwei Notarztwagen hindurch. Aus den riesigen Löchern in der Fassade kamen Leute; langsam, mit grauen Gesichtern und weißen Haaren kletterten sie über die Schuttberge. Einer von ihnen sagte ohne Betonung: »So eine Kacke! Ich wollte morgen nach Teneriffa.« Nun fiel Mann auf, dass es unwirklich still war. Er konnte sekundenlang kein lautes Geräusch ausmachen. Auch die Sirenen der Einsatzfahrzeu ge waren verstummt. Links von ihm sammelten sich Männer, erst waren es drei, dann sechs, dann sieben. Sie trugen alle die üblichen weißen Überanzüge der Kriminaltechniker. Ein kleiner, runder älterer Mann trat zu den Weißgekleideten und fragte sanft in einem Seelsorgerton: »Hat jemand einen Vorschlag, wie wir verfahren sollen?« Das war wohl derselbe Mann, der vorher geschrien hatte. »Macht doch keinen Sinn, Erich«, murmelte einer. »Gleich kommen das LKA und das BKA und alles, was wir bis dahin getan haben, ist für den Arsch.« Der kleine Mann erwiderte scharf: »Das ist mir scheißegal. Im Moment ist es unser Tatort. Alles, was jetzt versaut wird, geht auf unser Konto. Also?« 
    »Eine enge Gitterzeichnung«, schlug eine Bassstimme vor. »Wir machen eine genaue Bestandsaufnahme. Das war es dann. Hat jemand eine Zigarette?« »Das ist gut«, nickte der kleine Mann.

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