Die Raumfalle (Orion 06)
Raumschiff.
Sie sprachen leise, denn Ibsen war durch das Funkgerät mit der Kanzel verbunden.
»Sie hätten ihn nicht fliegen lassen dürfen, Commander«, sagte Tamara vorwurfsvoll.
Cliff zuckte seine Schultern.
»Aber ich bitte Sie«, sagte er halblaut, »es ist wirklich ungefährlich. Er steht mit uns in Sprechverbindung, und die LANCET fliegt auf einem Leitstrahl, von dem sie nicht loskommen wird.«
In der gleichen Sekunde hörten sie Ibsens Stimme.
»Hallo, Commander?«
»Hier?« meldete sich Cliff laut.
»Ich muß sagen, ich bin etwas enttäuscht.«
»Ist Ihnen die LANCET nicht schnell genug?« fragte Cliff sarkastisch zurück.
»Das nicht. Sie haben mich auf einen Leitstrahl gesetzt auf dem das Beiboot auch unbemannt fliegen würde.«
»Das hat seine Gründe«, sagte Cliff und wartete auf das, was kommen würde. Er behielt recht.
In der LANCET, an dem kleinen Schaltpult, saß Pieter-Paul Ibsen in den breiten Sicherheitsgurten. Er bewegte die nutzlosen Hebel der Steuerung, beobachtete die Instrumente sorgfältig und blickte von dem kleinen Schirm hinaus in das regungslose All.
Was sah er?
Er sah eine alte Sonne, die ein mildes gelbes Licht auf den kleinen Asteroiden warf. Und er sah weit hinter dem Asteroiden die haarfeine Sichel eines Planeten oder eines großen Körpers, der eben in das Sonnenlicht trat; er schwebte inmitten der hier leicht verdichteten Gasnebel, die von der ORION durchfurcht wurden.
Ein eigentümliches Gefühl überkam den Schriftsteller.
Theorie und Praxis, dachte er mit einer Spur leisen Bedauerns. Hier war er, sechsunddreißig Jahre alt, und zum erstenmal allein im All. Ibsen war, trotz seiner recht affektierten Art, kein Dummkopf und alles andere als ein Träumer, aber um in einem Roman die Gefühle eines Raumfahrers schildern zu können, mußte man diese gleichen Gefühle gehabt haben, möglichst in der gleichen Intensität. Sonst blieb jeder Dialog Papier und jede Schilderung flach und unecht, jede Empfindung schal und wesenlos. Schon jetzt, nach einigen aufregenden Minuten während des Starts, besaß er eine reiche Menge persönlicher Erfahrungen – er wußte vorher, wonach er suchte. Und er glaubte, es zu finden.
Das Abenteuer.
Das echte, einzige und nur persönlich zu erlebende Abenteuer.
Er beugte sich hinunter zum Mikrophon und sagte enttäuscht:
»Commander McLane! Ich bitte Sie, mich doch nicht für einen Säugling zu halten. Ich schalte jetzt die Automatik ab und übernehme selbst die Steuerung. Das Ziel habe ich klar erfaßt.«
Er legte einen schweren, rot gekennzeichneten Schalter um.
McLane begann wie ein Irrsinniger zu schreien, und die Lautsprecher in der LANCET klirrten übersteuert.
»Das lassen Sie gefälligst bleiben! Hören Sie? Ibsen, haben Sie mich verstanden?«
Ibsen schwieg einige Sekunden.
»Gehen Sie augenblicklich zurück auf die Automatik!«
Schließlich sagte der Schriftsteller, der mehr denn je seinen beschleunigten Herzschlag spürte und ihn mit dem Abenteuer des großen, weiten Alls identifizierte:
»Keine Sorge, Commander. Ich bleibe auf den Koordinaten.«
Er beschleunigte die LANCET etwas und flog in einer ausholenden Schleife dem winzigen Asteroiden entgegen, der sich vor ihm aus der kosmischen Schwärze vor dem Hintergrund matt pulsierenden Gases abhob.
*
Shubashi deutete auf einen seiner Schirme. Sie eilten an das Pult und sahen folgendes:
Quer durch das Bild zogen die Partikelströme, die von einer unbekannten Sonne kamen und vielleicht fremdartige Keime, abgekapselt und reglos in der Weltraumtemperatur von Null Grad Kelvin mit sich trugen.
Dahinter, fern, nur noch als glühende Scheibe zu sehen, eine Sonne.
Rechts vor der Sonne, etwa 180.000 Kilometer entfernt, der Impuls eines kleinen steinernen Körpers, mitten im Gasstrom.
Links, fast schon am Rand des Bildes, die halbe Fläche eines Planeten.
Mura!
»Er weicht ab! Er weicht vom Kurs ab!« sagte Atan aufgeregt. »Dieser Dichter bringt mich um meine letzten Haare!«
McLane knurrte:
»Dieser Idiot!«
Und in die Bordsprechanlage, die auf die LANCET geschaltet war, brüllte er:
»Ibsen, was machen Sie! Halten Sie die Koordinaten ein!«
»Wenn er den Kurs nicht halten kann«, sagte Mario unsicher, »dann kann es passieren, daß die LANCET von Mura angezogen wird. Bei dieser Geschwindigkeit kann es nicht länger dauern als einige Minuten!«
»Mura ... ein richtiges gemütliches Plätzchen. Das hat uns gerade noch gefehlt in unserer Kollektion
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