Die Rebellen von Irland
sie zu tun.
An einem sonnigen Morgen Anfang Juli erschien er im Haus der Tidys und fragte, ob er allein mit ihr sprechen könne. Sie saß im Wohnzimmer.
»Miss Madden«, begann er, und seine Worte klangen seltsam steif, »ich kann nicht zulassen, dass Sie eine Ausreise nach Amerika in Betracht ziehen, ohne Sie meiner Hochachtung und der wärmsten Gefühle für Sie zu versichern.« Sie sah ihn verwirrt an. »In der Tat«, fuhr er fort, »finde ich nach allem, was wir gemeinsam erlebt haben, und nach der Zeit in Dublin, dass wir richtige Freunde geworden sind. Ich hoffe doch, ich darf das sagen.«
»Ich empfinde genauso, Mr Smith«, sagte sie ruhig.
»Daher hoffe ich, dass Sie dies hier von mir annehmen, von einem lieben Freund, der Ihnen alles Gute wünscht und Sie immer in Erinnerung behalten wird.« Damit reichte er ihr einen Umschlag. »Sie werden darin alles finden, was Sie für Ihre Reise nach Amerika benötigen. Für eine Kabine auf einem guten Schiff. Und noch etwas mehr, damit Sie sich drüben ein Zimmer nehmen können. Ich bitte Sie, nehmen Sie es an von jemandem, der den aufrichtigen Wunsch hat, Ihr Freund zu sein.« Er lächelte. »Oder sogar ein Bruder.«
Sie war weiß wie ein Laken. Das war wohl zu erwarten gewesen, sagte er sich. Sie senkte den Kopf.
»Sie sind immer mein Wohltäter gewesen«, sagte sie sanft.
»Es ist mir eine Ehre, Ihnen behilflich zu sein, Miss Madden.«
Sie konnte noch immer nicht aufschauen.
»Sie haben mir das Leben gerettet, Mr Smith. Ich werde mein Leben lang daran denken. Erlauben Sie mir, dass ich meinen Gefühlen in gebührender Form Ausdruck verleihe, wenn ich mich gefasst habe.« Sie erhob sich.
»Natürlich.«
Sie verließ das Zimmer.
Er sprach mit Mrs Tidy, bevor er ging.
»Ich glaube, sie war bewegt«, sagte er.
»Sie haben ihr das Geld für die Überfahrt nach Amerika geschenkt? Damit sie fahren kann?«
»Ja.« Er war gerührt über seine eigene Großzügigkeit, denn es war beileibe keine kleine Summe gewesen. Er hatte mehrere Monatsgehälter geopfert.
Mrs Tidy seufzte, sagte aber nichts.
***
Es war ein strahlender Augusttag, als die königliche Jacht in Sicht kam. Sie war nicht groß, aber schmuck, mit schwarz-gold gestrichenen Seiten und einem großen Schornstein, und am Masttop flatterte die königliche Flagge prächtig im Wind. Alle Dubliner waren aufgeregt, als sie hinter der Südspitze der Dublin Bay auftauchte.
Königin Viktoria und ihr Gemahl dürften an diesem sonnigen Tag ihre Freude gehabt haben. Die Regierung hatte es für klüger gehalten, wenn sie den Westteil der Insel nicht zu sehen bekamen, wo ihre Untertanen noch nicht in der geeigneten Verfassung waren, sie so zu empfangen, wie sie es sich zweifellos gewünscht hätten. Daher hatten sie ihren Besuch in Cork begonnen, wo die Kaufmannschaft der Stadt ihnen einen großartigen Empfang bereitete. »So freundliche, so treu ergebene Menschen«, hatte die junge Königin arglos bemerkt. Heute stand Dublin auf dem Programm, und danach Belfast.
Der Hafen, den die königliche Jacht ansteuerte, war nicht der große Dubliner Hafen in der Mitte der Bucht, sondern ein kleinerer und eleganterer, der, halb Postschiffstation, halb Seebad, nur eine kurze Strecke hinter Dalkey buchteinwärts lag. Dun Laoghaire hatte der Ort einst geheißen, doch obwohl die Engländer lernten, dass dieser barbarisch anmutende irische Name einfach wie Dunleery ausgesprochen wurde, hatten sie ihn der Einfachheit halber in Kingstown umbenannt.
Abgesehen vom Postschiffverkehr war dort nie viel los gewesen, bis man fünfzehn Jahre zuvor eine hübsche kleine Dampfbahnlinie nach Dalkey gebaut hatte, die den Ort leicht erreichbar machte. Und so verliehen ihm nun ein breiter Quai, eine große Kirche, ein paar Villen von Landadligen und freundliche Häuserreihen mit Stuckfassaden und Meerblick einen Hauch von Vornehmheit.
Für diesen Tag war am Kai ein langer Zeltpavillon mit blauweiß gestreiftem Segeltuchdach errichtet worden. Überall wehten an jedem verfügbaren Flaggenstock Fahnen mit dem hellroten Georgskreuz am Himmel. Eine rotberockte Ehrengarde hatte flink Aufstellung genommen, und eine Blaskapelle spielte für die wartende Menge ein patriotisches Lied.
Gleich hinter dem offiziellen Empfangskomitee stand eine Gruppe von Aristokraten und Gentlemen. Und unter ihnen befanden sich auch Lord und Lady Mountwalsh, die, großzügig wie immer, Stephen aufgefordert hatten, sie zu begleiten, damit er einen guten Blick auf das
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