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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Geschehen habe.
    Umso überraschter waren daher die Mountwalshs, als sie genau in dem Augenblick, als die königliche Jacht um die Landspitze bog, sahen, wie sich die respektable, aber atemlose Gestalt Samuel Tidys einen Weg durch die Menge bahnte, direkt auf sie zu.
    »Stephen«, rief er. »Stephen Smith. Sie müssen sofort mitkommen.«
    ***
    Tidy erklärte ihm alles, während er mit seinem Pony und seinem leichten Einspänner eilends davonfuhr. Er hatte Stephen nach Mount Walsh geschrieben, doch der Brief hatte ihn nicht erreicht, weil er nach Kildare gereist war, wo er eine Woche geweilt hatte, ehe er zwei Tage zuvor nach Dublin gekommen war.
    »Hätten Sie mir gestern nicht brieflich mitgeteilt, dass Sie in Dublin sind und mit Lord Mountwalsh hierher kommen, hätte ich nicht gewusst, wo ich Sie suchen soll«, sagte der Quäker. »Ich hoffe, Lord Mountwalsh wird mir die Störung verzeihen.«
    Die beiden Mountwalshs hatten sich wie immer gnädig gezeigt. »Oh, Stephen, Sie werden die Königin verpassen«, hatte Lady Mountwalsh gerufen und ihn mitleidig angesehen. »Wenn er gehen muss, muss er gehen«, hatte William gesagt. »Aber Sie sollten sich beeilen, Stephen, denn man darf einem Monarchen nicht den Rücken kehren. Das ist nicht erlaubt.«
    Und so fuhren sie jetzt rumpelnd von Kingstown nach Ballsbridge, dann über den Grand Canal und weiter in Richtung Liffey, zu den Docks, wo bald der Dampfer nach Liverpool ablegte.
    Es gab mehrere Möglichkeiten, nach Amerika zu reisen, doch am beliebtesten war, nach England überzusetzen und dort ein Schiff nach New York oder Boston zu nehmen. »Ich habe für Maureen eine ausgezeichnete Kabine ergattert«, berichtete Tidy. »Auf einem erstklassigen Schiff, das von Liverpool aus fährt. Sie wird so bequem reisen, wie es nur geht. Und wenn sie ankommt, hat sie noch Geld übrig.« Dass er und seine Frau Maureens Reisekasse zusätzlich aufgebessert hatten, bedurfte keiner Erwähnung. »Aber ich habe mir gedacht, Sie würden sie nicht gern ohne ein Abschiedswort fahren lassen.«
    »Nein, natürlich nicht«, sagte Stephen.
    Erst als sie den Liffey erreichten, rückte Tidy damit heraus, was ihm eigentlich auf dem Herzen lag. Es kam ziemlich plötzlich.
    »Ich muss ganz offen mit Ihnen sprechen, Stephen Smith«, sagte er, als sie am Trinity College vorbeifuhren. »Der heutige Tag entscheidet darüber, ob Sie ein kluger Mann oder ein großer Narr sind.«
    »Inwiefern?«
    »Haben Sie noch immer nicht begriffen, dass Maureen Sie liebt?«
    »Mich liebt? Sie mag mich, glaube ich. Ich weiß, dass sie mir dankbar ist.«
    »Dann ist Ihnen also nicht klar, dass Sie geliebt werden? Dann haben Sie also nicht bemerkt, was für jeden Mann, der halbwegs sehen kann, offensichtlich ist, nämlich dass sie seit mindestens einem Jahr und vielleicht schon viel länger alle Schmerzen einer unerwiderten Liebe erleidet?«
    »Nein. Wie kommen Sie denn darauf?«
    »Seit dem letzten Frühjahr ist das für Mrs Tidy und mich offenkundig. Und vor zwei Wochen hat sie es, von meiner Frau vorsichtig darauf angesprochen, gestanden. So liegen die Dinge. Daher frage ich Sie rundheraus: Hegen Sie zärtliche Gefühle für sie?«
    »Ja. Ich glaube schon.«
    »Könnten Sie sich vorstellen, sie zu Ihrer Frau zu nehmen?«
    »Zu meiner Frau?«
    »Sie haben jetzt eine gute Stellung. Sie streben nicht nach Reichtum. Sie haben erfahren, was es heißt, zu leiden und für das Leben dankbar zu sein. Warum haben Sie nie an eine Heirat mit ihr gedacht? Wir verstehen das nicht. Denn es gibt nichts Besseres auf der Welt, und ich spreche aus Erfahrung, als eine liebevolle und zärtliche Frau an seiner Seite zu haben.«
    »Das kommt alles ein bisschen plötzlich, Tidy. Sie hat nie etwas gesagt.«
    »Natürlich nicht. Wie denn? Und Sie selbst haben nichts getan, um sie zu ermutigen. Ganz im Gegenteil. Deshalb frage ich Sie ohne Umschweife: Ist es wirklich Ihr Wunsch, dass diese Frau, die Sie heimlich liebt, auf Nimmerwiedersehen nach Amerika verschwindet?«
    »Ich müsste darüber nachdenken.«
    »Das Schiff geht in knapp einer Stunde«, erwiderte Tidy barsch, und dann sagte er nichts mehr. Er sprach nur selten so viel und mischte sich nie in die Angelegenheiten anderer ein. Aber sein Gewissen hatte ihm gesagt, dass er die Sache selbst in die Hand nehmen müsse, auch wenn es schon fast zu spät war, und er war froh, dass er es getan hatte.
    Sie hatten den Liffey bereits überquert und rollten zu der Stelle, wo die Dampfer nach

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