Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
over heart
    The better part.
    ***
    Ihr Bruder Lawrence hatte ihr einen guten Rat gegeben. Ich habe Glück gehabt, dachte sie, und das weiß ich. Und ganz Dublin würde ihr Recht geben. Ganz Irland würde ihr Recht geben. Und sie wusste selbst nicht, warum sie sich diese Tatsache immer wieder ins Gedächtnis rufen musste. Ein weiser Priester hatte sie damals getraut. Er war ein Freund ihres Vaters, ein beleibter, gemütlicher Mann in den Fünfzigern, der schon dreißig Jahre Gemeindepriester war. Vor der Hochzeit hatte er Walter und sie zu sich gebeten und ihnen einen einfachen Rat gegeben. Bei allem, was sie an jedem Tag ihrer Ehe taten, sagte er ihnen, sollten sie vor jeder Handlung und jedem Wort bedenken, welche Gefühle sie damit in ihrem Ehepartner auslösen würden. War es respektvoll und freundlich? »Ich habe schon sehr viele Ehen gesehen, und ich kann Ihnen eines aus Erfahrung sagen: Wenn Sie diesen Rat befolgen, dann kann ich Ihnen – beinahe – garantieren, dass Ihre Ehe glücklich sein wird.« Ein Versprechen auf Glück, mit dieser einen kleinen Einschränkung: »Beinahe.«
    Der gütige alte Priester hatte genau gewusst, was er ihnen da riet. Aber warum? Warum konnte man so etwas nicht garantieren? Warum gab es die Möglichkeit, dass Gott bestimmte, dass zwei gute Menschen, die einander liebten, nicht glücklich miteinander wurden?
    Walter lachte nur selten laut, aber wenn er abends im Wohnzimmer saß und eines der Kinder ihn belustigte, dann gluckste er leise. Anne wusste, dass dieses Glucksen eigentlich liebenswert war. Aber aus unerfindlichen Gründen ärgerte sie sich darüber. Sie sagte sich oft, dass sie sich närrisch verhielt. Dies war eine banale Kleinigkeit, die sie ignorieren sollte, aber irgendwie gelang es ihr nicht. Ein- oder zweimal hatte sie ihn sanft gefragt, warum er gluckste, statt zu lächeln oder laut aufzulachen. »Ich weiß es nicht«, hatte er gutmütig erwidert. »Das habe ich schon immer gemacht. Warum?«
    »Weil es mich ärgert«, hätte sie beinahe hervorgestoßen. Aber die Angst, ihn damit zu verletzen und eine Mauer zwischen ihm und ihr zu errichten, hielt sie zurück. »Kein besonderer Grund. Ich habe mich nur gewundert«, hatte sie stattdessen gesagt.
    Das Glucksen selbst war auch gar nicht das Problem. Es war der Geist, dem es entsprang – und vor allem die Tatsache, dass Walter glücklich annahm, dass sie jeden Gedanken teilte, der ihm in diesem Moment durch den Kopf ging.
    Walter Smith war ein frommer Mann, dabei aber klug und weltgewandt. Er kümmerte sich aufopfernd um seine Familie. Anne zweifelte nicht daran, dass er freudig sein Leben für sie hingeben würde. Am meisten genoss er den ordentlichen Haushalt. »Ich danke dir für mein Heim«, sagte er oft gerührt zu ihr. Und obwohl er zu klug war, sich in ihre Domäne einzumischen, war sie sich sicher, dass er ganz genau wusste, wo sie jeden Topf, jede Pfanne und jedes Wollknäuel im Haus aufbewahrte. Ruhig und gerecht erzog er seine Kinder zu anständigen, ordentlichen Menschen, und natürlich unterstützte sie ihn dabei. Man musste ihn einfach bewundern. Aber war dies wirklich alles, wonach er sich sehnte?
    Sie vergaß nie den Tag, an dem sie gemeinsam auf der alten Stadtmauer gestanden und beobachtet hatten, wie eine dunkle Wolkenbank drohend und großartig von den Wicklow-Bergen auf sie zurollte. Fasziniert sah Anne zu, während der Donner immer lauter grollte und die Blitze bedrohlich auf die Stadt zu zuckten. »Ist das nicht wunderbar«, schrie sie aufgeregt. »Walter, ist das nicht großartig?«
    »Wir sollten nach Hause gehen, sonst werden wir ziemlich nass«, erwiderte er.
    »Das macht nichts«, lachte sie. »Dann werde ich eben nass.« Und, zu ihm gewandt: »Möchtest du dich denn nie vom Sturm verschlingen lassen?«
    »Komm, Anne«, sagte er leise. Und gegen ihren Willen war sie mit ihm nach Hause gegangen.
    Hätte sein Bruder Patrick sie gezwungen, ins Haus zu gehen? Sicher nicht. Er wäre wahrscheinlich, ja fast sicher, ein schrecklicher Ehemann gewesen. Aber er wäre mit ihr dort geblieben und hätte mit ihr zusammen die wilde Pracht des Gewitters genossen.
    Als Walter in jener Nacht auf seine übliche, eintönige Art mit ihr schlief, musste sie verbergen, dass ihr Körper schwer, hölzern und für ihn unempfänglich war. Dies passierte nicht zum ersten Mal und würde auch in Zukunft noch passieren. Er wusste natürlich nichts von ihrer kleinen Täuschung, und so sollte das auch bleiben.
    Aber jedes

Weitere Kostenlose Bücher