Die Rebellen von Irland
nicht klar. »Aber sicher ist es ein Grund zum Jubeln, dass der König sich eine Braut gewählt hat, die dem wahren Glauben angehört«, hatte Anne damals zu ihrem Bruder Lawrence gesagt. Und obwohl Lawrence immer zur Vorsicht mahnte, hatte er aufmunternd gelächelt und geantwortet: »Hoffentlich.«
Irland war ein seltsamer Ort. Die Grafen waren geflohen; Munster und Ulster wurden kolonisiert; die Protestanten hatten die Oberhand im Parlament. Aber Anne kam es so vor, als hätte sich das Leben der meisten Katholiken in den knapp zwei Jahrzehnten ihrer Ehe überraschend wenig verändert. Die Protestanten erließen zwar Gesetze gegen sie, aber diese wurden nur sehr sporadisch angewandt. Sogar hier in Dublin, dem Zentrum englischer Macht in Irland, war das tägliche Leben von kuriosen Anomalien geprägt. Die Christ-Church-Kathedrale, dieses große mittelalterliche Monument des irischen Katholizismus, war nun die Heimat der so genannten Kirche von Irland – die natürlich protestantisch und englisch war. Die Regierungsbeamten aus der Dubliner Burg und die Protestanten vom Trinity College beteten dort. Aber beinahe jede Pfarrkirche in der Stadt wurde von einer Gemeinde aus Kaufleuten und Handwerkern besucht, die immer noch hauptsächlich Katholiken waren. Laut Gesetz waren katholische Priester verboten. »Aber darüber machen wir uns keine Sorgen«, sagte ihr gütiger Ehemann Walter immer fröhlich. Smith und die anderen Kaufleute seines Bezirks unterstützten in ihrer Pfarrkirche sogar sechs katholische Priester. Wenn irgendein Beamter auf die Idee käme, zu fragen, was diese Männer dort machten, würde er die Antwort erhalten: »Sie bilden den Chor.« Natürlich wussten alle, dass es Priester waren. Sogar Doktor Pincher war das wahrscheinlich klar. Aber die Männer aus der Dubliner Burg wollten die reichen und mächtigen Kaufleute aus Dublin nicht verärgern, und die Priester durften ungestört und diskret ihrer Berufung nachgehen. »Wenigstens, solange niemand sie bittet, zu singen«, sagte Walter trocken.
Deshalb war es doch nicht so abwegig zu hoffen, dass Männer wie ihr Bruder Orlando und ihr Ehemann Walter – wohlhabende Männer von edlem Charakter, die der englischen Krone loyal dienten – den neuen König vielleicht davon überzeugen konnten, der katholischen Bevölkerung wieder die Rechte zuzubilligen, die sie verdiente.
Ihrem starken, verlässlichen, liebevollen Ehemann musste man einfach vertrauen. Dazu genügte ein Blick auf ihn. Walter war mit den Jahren etwas dicker geworden, wirkte aber nicht schwerfällig. Sein Haar war eisengrau, er strahlte Autorität aus, und jeder zollte ihm Respekt. Die Votivkapelle der mächtigen Gilde St. Anne lag zwar in der St.-Audoen-Kirche, aber alle Papiere der Gilde wurden in einer eisenbeschlagenen Truhe aufbewahrt, die sich im Haus von Walter Smith befand. Er brüstete sich aber niemals mit seiner Autorität. Jeder, der ihn kennen lernte, hätte diesen ruhigen, fröhlichen, immer freundlichen Mann sofort als stämmigen, katholischen Familienmenschen mittleren Alters bezeichnet – und damit Recht gehabt. Er hatte Anne eine wunderbare Familie geschenkt. Ihre älteste Tochter sah ihr sehr ähnlich, das sagten alle. Sie würde zweifellos bald heiraten. Die zweite Tochter schlug mehr Walter nach, und die dritte erinnerte Anne an eine Tante, die sie als Kind noch gekannt hatte. Aber allen fiel besonders der junge Maurice auf, der nach Walters Großvater benannt war. Sein Körperbau und sein Gesicht erinnerten Anne an Walters Bruder Patrick. Das hätte schon ausgereicht, um aus ihm ein hübsches Kind zu machen. Aber dazu kamen noch seine Augen, die von außergewöhnlichem Grün waren. Er war inzwischen acht Jahre alt und zeigte hellwachen Verstand. »Nun muss sich nur noch zeigen, ob er wie ich ein einfacher Kaufmann wird«, pflegte sein Vater zu scherzen, »oder ein schlauer Advokat wie sein Onkel Orlando. Ich freue mich sehr darüber«, sagte er dann immer zu Anne, »dass ich meinen lieben Bruder Patrick in unserem Sohn wiedererkenne.«
Sie sprachen nur selten über Patrick. Aber es zeigte ganz deutlich, wie gütig und taktvoll Walter war, dass er so etwas zu ihr sagte. Er wusste schließlich, dass sie zuerst Patrick geliebt hatte. Sanft berührte sie daraufhin seinen Arm und antwortete: »Wir vermissen ihn beide, aber dich trifft es schlimmer als mich. Für mich war es ein Glück, dass ich dich geheiratet habe.« Und das entsprach bei Gott der Wahrheit.
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