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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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musste man Jeremiah Tidy wirklich lassen: Er war äußerst fleißig. Vor einigen Jahren war der Posten des Kirchendieners frei geworden und dem Küster übergeben worden. Also erfüllte Tidy jetzt zwei Aufgaben, für einen kombinierten Jahreslohn von fünf Pfund und acht Schilling. Der Kapitular kümmerte sich um die Dokumente der Kirchenverwaltung, um die unzähligen Besitztümer und Ländereien der Kirche, um Mieten und Pächter, und der Kantor war für den Chor und die Musik in der Kathedrale verantwortlich. Aber alle anderen täglichen Aufgaben im Kirchenbezirk fielen nun unter Jeremiah Tidys Verantwortung.
    Der Anlass für das Gespräch war ernst. Die Schwiegermutter des Kaufmanns war am vergangenen Tag gestorben, und nun musste das Begräbnis organisiert werden. Tatsächlich hätte Doyle deshalb beinahe sein Treffen mit Pincher abgesagt. Aber dies war kein altirisches Begräbnis. Es gab keine Totenwache, sondern nur eine stille, protestantische Trauerzeit, und um mit Tidy zu sprechen, musste er sowieso zur Christ-Church-Kathedrale.
    Doyle hatte klug geheiratet. Seine Schwiegermutter hatte dem mächtigen Netzwerk altenglischer Familien angehört, die der Kirche von Irland beigetreten waren. Ussher und Ball gehörten zu dem guten Dutzend Namen, die immer wieder wichtige Ämter in Kirche und Staat innehatten. Es würde daher ein großes Begräbnis geben, an dem diese Familien und Mitglieder der katholischen Gemeinde von Dublin teilnehmen würden, die Doyle so ihre Freundschaft und ihren Respekt bewiesen.
    Eine Zeit lang gingen die beiden das Arrangement für den Gottesdienst durch. Doyle wusste, dass nichts dem Zufall überlassen bleiben würde, wenn Tidy die Verantwortung trug. Er achtete auf jedes noch so kleine Detail. Die fünf Schilling, die der Küster für solche Dienste erhielt, hatte er sich redlich verdient. Außerdem bot Tidy noch an, selbst mit dem Kantor über die musikalische Begleitung zu sprechen. Als die beiden Männer mit dem Arrangement des Gottesdienstes zufrieden waren, sprach Tidy das letzte Thema an:
    »Sie möchten sicher, dass die Glocke geläutet wird?«
    »Aber natürlich«, antwortete Doyle.
    Die große Glocke der Kathedrale läutete nicht nur die Gottesdienste ein. Sie läutete jeden Morgen um sechs Uhr und jeden Abend um neun, um Anfang und Ende des Arbeitstages anzuzeigen. Und bei zahlreichen anderen Gelegenheiten. Traurig läutete sie, wenn ein Gentlemen in die Ewigkeit überging, und freudig, wenn ein wichtiger Erbe geboren wurde. Tidy wurde für jeden Glockenschlag bezahlt. Sein Gehalt deckte das reguläre Läuten ab; die Dubliner Handelskammer bezahlte ihm jährlich einen schönen Lohn von zwanzig Pfund für das Morgen- und Abendläuten; und für jede besondere Gelegenheit wurde ein weiterer Obolus ausgehandelt.
    »Ich könnte dasselbe Glockengeläut wie für Lady Loftus spielen«, schlug Tidy vor. Lady Loftus war die Witwe eines wichtigen Stadtbürgers gewesen. Sie war ein Jahr zuvor gestorben.
    »Wie viel hat das gekostet?«, erkundigte sich der Kaufmann.
    »Zwölf Schilling und sechs Pence«, sagte Tidy.
    »Das ist ganz schön teuer.« Obwohl Doyle reich war, brachte ihn der Betrag für einen Moment aus der Fassung.
    »Sie war auch eine sehr fromme Dame, Sir«, antwortete der Küster.
    »Aha.« Doyle seufzte. »Nun gut.« Nachdem sie den Termin des Gottesdienstes für den nächsten Tag vereinbart hatten, verabschiedete er sich.
    Während dieses Gespräches war Faithful Tidy stumm dagestanden und hatte alles beobachtet. Jetzt rief ihn sein Vater zu sich.
    »Na, Faithful? Was hältst du davon?«, fragte er.
    »Bekommen Sie die zwölf Schilling zusätzlich zu den fünf Schilling Küsterlohn?«, fragte der Junge zurück.
    »Ja«, antwortete Tidy.
    Faithful wirkte beeindruckt.
    »Doyle ist reich«, sagte er.
    »Das stimmt. Aber für dich ist nicht Doyle, sondern Doktor Pincher wichtig, Faithful«, erklärte sein Vater.
    »Der Tintenmann?« Diesen respektlosen Namen hatten die Kinder des Kirchenbezirks dem schwarz gekleideten Prediger gegeben.
    »Behandle ihn gefälligst mit Respekt«, sagte sein Vater streng. Leise setzte er hinzu: »Dieser Mann wird dir eines Tages dabei helfen, dein Glück zu machen, Faithful.«
    Orlando hatte Anne und Walter bereits gesagt, dass er mit ihnen zum Begräbnis gehen würde. Anne wäre zwar gerne mitgegangen – schließlich war Doyle ihr Cousin – aber ihre Zweitälteste Tochter lag mit Fieber im Bett und sie wollte lieber bei ihr zu Hause bleiben.

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