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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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meine Hand.« Orlando ergriff die Hand seines Vaters. Sie fühlte sich kalt an. »Kein Vater könnte sich einen besseren Sohn wünschen, Orlando.« Er lächelte, dann schloss er die Augen.
    Eine Zeit lang verharrten sie schweigend, nur der leicht keuchende Atem seines Vaters war in der Stille zu hören. Orlando hielt immer noch Martin Walshs kalte Hand.
    Dann rief sein Vater leise, ohne die Augen zu öffnen:
    »Anne.«
    Die Tür öffnete sich sofort, und seine Schwester erschien.
    »Gott sei mit dir, mein Sohn«, sagte sein Vater. Dann führte Anne ihren jüngeren Bruder hinaus.
    Sie bat ihn, nach unten zu gehen. Kurz danach begab sich Lawrence wieder nach oben. Orlando wartete, allein und verzweifelt. Etwa eine halbe Stunde später kam Anne nach unten und sagte ihm, dass sein Vater gestorben sei.
    ***
    Am nächsten Morgen brach Orlando allein auf. Der Himmel war immer noch grau. Er lief langsam an der verlassenen Kapelle vorbei und erreichte bald den langen Abhang, der zum Meer hinab führte. Bis zu seinem Ziel, dem heiligen Brunnen von Portmarnock, begegnete er keiner Menschenseele.
    Er kniete neben dem Brunnen nieder und begann zu beten. Aber obwohl ihm die Worte geläufig waren, konnte er sich nicht so gut konzentrieren, wie sein Vater es ihm vorgemacht hatte. Er stand auf, lief dreimal um den Brunnen und sprach viermal das Vaterunser. Er wusste, dass solche kleinen Zeremonien manchmal halfen. Dann kniete er sich wieder hin. Aber die Ruhe, die er suchte, fand er immer noch nicht. Er versuchte, an den alten Heiligen zu denken, dessen gütige Gegenwart die Wasser dieses Brunnens gesegnet hatte. Er dachte an seinen Vater und flüsterte:
    »Ich verspreche es Ihnen, Vater. Ich verspreche es. Mindestens ein Dutzend.« Dann brach er in Tränen aus.
    Erst über eine Stunde später war er wieder zu Hause. Lawrence hielt vor dem Haus nach ihm Ausschau.
    »Wo warst du, Orlando?«
    »Beim Brunnen von Portmarnock«, antwortete Orlando wahrheitsgetreu.
    »Ah«, sagte Lawrence nachdenklich. »Ich glaube, es ist an der Zeit«, fuhr er dann freundlich fort, »dass du nach Salamanca gehst.«

* 1626 *
    Inzwischen war Anne Smith vierunddreißig Jahre alt. Sie wusste, dass sie allen Grund zur Dankbarkeit hatte, obwohl schwere Zeiten hinter ihr lagen: Sie hatte einige Fehlgeburten erlitten und zwei Kinder, beides Jungen, im Säuglingsalter verloren. Aber fast alle Mütter, die sie kannte, hatten Ähnliches durchgemacht. Solche Wunden verheilten mit der Zeit. Sie war immerhin mit vier gesunden Kindern – drei Mädchen und ein Knabe – gesegnet, und sie konnte durchaus noch weitere bekommen.
    Und dann war da ihr Bruder Orlando. Sie hatte eigentlich erwartet, er werde sofort nach seiner Rückkehr aus Salamanca heiraten. Sie wusste von dem Versprechen, das er seinem Vater gegeben hatte, und sie wusste auch, dass er ihn auf keinen Fall enttäuschen würde. Als sie ihn einmal neckte, dass er sich vielleicht doch mit weniger als einem Dutzend Kinder zufrieden geben müsse, hatte er geantwortet: »Ich werde es trotzdem versuchen.« Er hatte dies so ernst gesagt, dass sie ihn nie mehr damit aufzog. Es gab genügend Familien, die ihre Töchter nur zu gerne mit dem jungen Orlando Walsh verheiratet hätten. Aber er hatte sich ein paar Jahre Zeit gelassen und wie sein Vater den Anwaltsberuf erlernt. Erst danach hatte er sich mit einem netten Mädchen aus einer Familie, die zur katholischen Gentry des altenglischen Pale gehörte, niedergelassen. Er verwaltete den Grundbesitz sehr erfolgreich. Viele Klienten seines Vaters hatten ihm ihre Angelegenheiten übertragen. Jetzt war er seit einem Jahr mit Mary verheiratet. Orlando hatte also, so glaubte seine Schwester, allen Grund, optimistisch in die Zukunft zu sehen.
    Aber auch auf politischer Ebene gab es für gute katholische Familien wie die Walshs inzwischen Anlass zu bescheidener Hoffnung.
    England hatte einen neuen König. Der alte König Jakob I. war zwar der Sohn der eifrigen Katholikin Maria Stuart gewesen, aber die presbyterianischen Fürsten seiner schottischen Heimat hatten aus ihm einen überzeugten Protestanten gemacht, auch wenn er nur ungern Repressalien gegen Katholiken duldete. Aber der alte König war tot, und vor einem Jahr hatte sein Sohn König Karl – ein ernsthafter junger Mann – seine protestantischen Untertanen damit schockiert, dass er die Schwester des allerkatholischsten Königs von Frankreich geheiratet hatte. Wo Karls I. religiöse Sympathien liegen würden, war noch

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