Die Rebellen von Irland
die Wolken brach und das Meer silbern aufleuchten ließ. Mit leichtem Herzen ritt er glücklich über die vertraute Ebene. Er lächelte, als eine Schar Möwen plötzlich aus dem Feld vor ihm laut krächzend in den eisengrauen Himmel aufstieg. Und ihm wurde ganz warm ums Herz, als er durch ein Wäldchen ritt und das Haus zum ersten Mal erblickte.
Er war überrascht, dass seine Schwester ihm die Tür öffnete.
»Hallo, Anne«, sagte er.
»Gott sei Dank bist du zu Hause. Er erwartet dich schon.«
»Das weiß ich.« Er lächelte, aber sie sah ihn nur seltsam an.
»Nein, Orlando, das weißt du nicht.« Er machte Anstalten, ins Haus zu gehen, aber sie hielt ihn am Arm zurück. »Du kannst erst in ein paar Minuten zu ihm. Er spricht noch mit Lawrence.« Sie holte tief Luft. »Dein Vater ist sehr krank, Orlando. Es geht ihm schlecht.«
Orlando fühlte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich.
»Seit wann?«
»Seit heute Morgen. Man schickte einen Boten zu uns nach Dublin und wir sind sofort gekommen. Niemand wusste, wo du steckst.«
»Ich musste etwas für Vater erledigen.«
»Das hat der Bote auch gesagt. Es hieß, du kämest bei Cousin Doyle vorbei, also hinterließen wir dort die Nachricht, du sollest sofort nach Hause kommen. Wo in aller Welt warst du denn?« Als sie sah, dass er nur den Kopf schüttelte, sagte sie: »Es ist auch nicht wichtig. Wenigstens kann er noch sprechen. Bleib hier unten. Ich sage ihm, dass du da bist.«
Orlando blieb alleine zurück und wartete. Im Haus herrschte eine seltsame Stille. Nach einer Weile kam Lawrence die Treppe herunter.
Er trug eine schwarze Soutane und sah sehr ernst aus. Er schenkte Orlando kein Lächeln, legte ihm aber leicht die Hand auf den Arm.
»Du musst jetzt tapfer sein. Unser Vater hat eine schwere Krise erlitten. Es war ein Hirnschlag. Er hat sich seit gestern sehr verändert. Bist du bereit?« Orlando nickte stumm. »Gut. Ich habe mit ihm gebetet. Deine Gegenwart wird ihm ein großer Trost sein.« Er verstummte und sah Orlando neugierig an. »Wo warst du eigentlich?«
»Das darf ich nicht sagen, Lawrence. Ich musste etwas für Vater erledigen.«
»Du kannst mir doch sicher wenigstens sagen, warum du nicht da warst?« Die Frage war freundlich gestellt, aber Orlando spürte, dass sein Bruder sein Verhalten missbilligte.
»Nein, ich habe es Vater versprochen.«
»Nun gut.« Der Jesuit runzelte die Stirn, bevor er zur Treppe blickte, auf der inzwischen Anne stand.
»Ist er bereit?«
»Ja.« Anne lächelte Orlando ermutigend zu.
»Wird er sterben?«, fragte Orlando.
Niemand antwortete ihm.
Er stieg die schwere Eichentreppe hinauf und schritt zum Zimmer seines Vaters. Die Tür war nur angelehnt, und er schob sie auf.
Martin Walsh war allein und lag auf Kissen gestützt in einer halb liegenden Position auf dem geschnitzten Eichenbett. Sein Gesicht war seltsam fahl, die Augen eingesunken. Aber er blickte Orlando liebevoll an und versuchte sogar, zu lächeln.
»Es tut mir leid, dass du mich so sehen musst, Orlando.«
Orlando brachte einen Moment lang kein Wort heraus.
»Mir tut es auch leid«, murmelte er schließlich. Er wollte eigentlich etwas ganz anderes sagen, aber er fand nicht die richtigen Worte.
»Komm her«, winkte ihn sein Vater zu sich. »Hast du meinen Auftrag erledigt?«
»Ja, Vater. Ich habe alles genauso gemacht, wie Sie es angeordnet haben.«
»Das ist gut. Ich bin stolz auf dich. Hat er irgendetwas gesagt?«
»Er stehe auf ewig in Ihrer Schuld.«
»Hat er den Brief verbrannt?«
»Ja. Ich habe es gesehen.«
»Jetzt würde es allerdings auch nichts mehr ausmachen, wenn er entdeckt würde«, murmelte sein Vater, aber die Worte waren mehr an sich selbst als an Orlando gerichtet. Er seufzte, ein leichtes Keuchen begleitete das Geräusch. Dann lächelte er Orlando an. »Das hast du sehr gut gemacht.«
Orlando wollte seinem Vater so vieles mitteilen. Er hätte ihm so gerne gesagt, wie sehr er ihn liebte. Aber er wusste nicht wie. Hilflos und stumm stand er einfach da. Sein Vater schwieg einen Moment lang mit geschlossenen Augen. Er schien alle Kräfte zusammenzunehmen. Dann öffnete er die Augen. Orlando spürte die Angst im Blick seines Vaters.
»Erinnerst du dich daran, was du mir versprochen hast, Orlando? Dass du heiraten wirst?«
»Natürlich, Vater.«
»Du hast mir Enkel versprochen.«
»Ja.«
»Wirst du Kinder bekommen?«
»Ja, Vater. Mindestens ein Dutzend, das verspreche ich.«
»Das ist gut. Ich danke dir. Bitte nimm
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