Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
oder wilder Ire aus den Hügeln und Mooren – sie waren alle gleich. Sie waren Katholiken, das war alles, was zählte. An diesem Tag begriff Doktor Pincher eines endgültig: Die Verdorbenheit und der verachtungswürdige Charakter, den er bis jetzt nur den alteingesessenen Iren zugeschrieben hatte, traf auf alle zu, die dem katholischen Glauben angehörten. Ihre Religion verdammte sie nicht nur dazu, in der Hölle zu schmoren, sondern machte sie auch auf dem Weg dahin bereits zu Schurken. An diesem Tag gab er sich ein Versprechen und trug es fortan wie ein Messer in seinem Herzen verborgen: Wenn der Augenblick gekommen war, dann würde er persönlich Smith, Walsh und O’Byrne mit Rechtschaffenheit vernichten, weil sie es gewagt hatten, ihn zu verhöhnen.
    Und Rathconan – das Anwesen, das er den O’Byrnes ohne Grund und ohne ausreichende Mittel hatte stehlen wollen – erschien ihm nun wie sein rechtmäßiges Erbe, das ihm jemand gestohlen hatte. Und auch diese Überzeugung trug er fortan in seinem Herzen verborgen wie einen Schatz in einer Schatzkiste.
    In diesem Seelenzustand verbrachte der gelehrte Doktor viele Monate.
    ***
    Der Brief, der Doktor Pincher endgültig zur Raserei trieb, erreichte ihn im Frühjahr 1627. Die Absenderin war seine Schwester, und der Brief betraf Barnaby.
    Vielleicht hatte Mrs Tidy ja Recht damit, dass der Prediger eine Ehefrau brauchte. Aber Simeon Pincher hatte so lange allein gelebt, dass es ihm schwergefallen wäre, seine lieben Gewohnheiten für eine andere Person zu ändern. Als junger Mann hatte er seine körperlichen Bedürfnisse unterdrückt wie ein Soldat auf Kriegszug, weil er seinen guten Ruf nicht gefährden wollte. Und im Lauf der Zeit waren diese Bedürfnisse beinahe verschwunden. Er war nun ein älterer Mann, der jede Veränderung fürchtete.
    Simeon Pincher war also überzeugter Junggeselle, aber die Hoffnungen, die er auf seine Familienangehörigen setzte, waren immer noch so groß wie früher. Er hatte zwar den Grundbesitz, nach dem er sich sehnte, noch nicht erworben, aber er war ein wohlhabender Mann, eine wichtige Persönlichkeit in Dublin. Vor einigen Jahren hatte er seiner Schwester vorgeschlagen, sie solle doch seinen Neffen Barnaby nach Dublin schicken, damit dieser am Trinity College studiere. Seine Schwester hatte zurückgeschrieben, dass der junge Barnaby zwar ein gottesfürchtiger Bursche, aber nicht für ein Studium geeignet sei. Sie schickte ihn daher zu einem Tuchhändler in die Lehre. Dieser Tuchhändler sei ein sehr gebildeter Mann, der ihr versprochen habe, Barnaby alle Bücher zu lesen zu geben, die gut für ihn seien.
    Enttäuscht hatte Pincher abgewartet; inzwischen zählte Barnaby zwanzig Jahre, und der Prediger schrieb erneut an seine Schwester und schlug vor, dass sein Neffe ihn in Dublin besuchen solle, wo er nur in der allerbesten Gesellschaft verkehren werde. So könne er den jungen Mann, der schließlich sein Erbe sei, besser kennen lernen. Außerdem – aber das schrieb er nicht – würde Barnaby auf diese Art entdecken, dass sein Onkel in Dublin ein wichtiger Mann war. Die Antwort, die seine Schwester ihm auf diesen großzügigen Vorschlag hin schickte, versetzte den frommen Gelehrten in rasende Wut.
    In den ersten Zeilen des Briefes dankte sie ihm noch dafür, dass er sich seines Neffen annehmen wollte. Dann erinnerte sie ihn daran, dass er nur nach England kommen müsse, um seine Bekanntschaft mit seiner Familie aufzufrischen und seine eigene Schwester, ihren guten Ehemann und seinen Neffen zu sehen. Die Familie würde ihn willkommen heißen. Falls dies als sanfter Vorwurf gemeint war, musste Pincher zugeben, dass sie Recht hatte. Warum war er in all diesen Jahren nie nach England gereist, um seine Familie zu besuchen? Aus Stolz. Oder vielmehr aus Eitelkeit – Pincher war ehrlich genug, um das zuzugeben. Er hatte als Sieger heimkehren wollen, der einen Grundbesitz sein eigen nannte. Das sprach nicht für wahre Zuneigung gegenüber seiner Schwester, tadelte sich Pincher streng. Warum wollte er sie unbedingt beeindrucken? Weil seine Schwester ihm immer auf ihre stille Art zu verstehen gab, dass sie keine besonders hohe Meinung von ihm hegte. Und selbst jetzt, nach dreißig Jahren, fehlte es ihm an der Demut, seine Fehler und Versäumnisse zuzugeben. Auch hierfür schämte sich der ehrenwerte Doktor gebührend.
    Und wenn der Brief damit geendet hätte, dann wäre Simeon vielleicht wie ein guter Christ in die etwas kühlen Arme seiner

Weitere Kostenlose Bücher