Die Rebellen von Irland
Wohnung kaum Miete bezahlen. Ich darf in meinem Haus handeln – was ich auch tue –, ohne dass ich einer Gilde angehören muss oder Ehrenbürger werde. Für beides muss man nämlich bezahlen. Ich muss auch nichts von meinen Einkünften an die Dubliner Handelskammer abführen.« Er lächelte. »Ich genieße alle Vorzüge, die die Stadt bietet, zahle aber keine Steuern. Und das nur, weil ich an diesem Glockenseil ziehe.«
Und das waren beileibe noch nicht alle Vergünstigungen, die ein Kirchendiener genoss. Christ Church kümmerte sich wie alle uralten kirchlichen Einrichtungen sehr gut um die Seinen. Alle möglichen Leute, vom Küster und den Chorvikaren bis hin zum geringsten Straßenfeger und Lumpensammler, fanden Schutz und Unterstützung in den Nischen der Kathedrale. Sie erhielten Privilegien und Almosen, bekamen Schuhe, Kleider, Essen und Brennholz. Wenn die großen Kerzen auf dem Altar bis zu einem bestimmten Punkt niedergebrannt waren, tauschte Tidy sie aus und nahm die Stumpen mit nach Hause. Seine Familie beleuchtete ihre Wohnung mit den feinsten Wachskerzen und musste nichts dafür bezahlen. Dazu kamen noch die unzähligen kleinen Obolusse, die er für jeden kleinen Dienst erhielt, den er für die Laien verrichtete. Am meisten brachte ihm natürlich das Läuten der großen Glocke ein.
»Egal, ob sie zur Hochkirche gehören oder Calvinisten, Papisten oder Puritaner sind. Alle wollen, dass die Glocke läutet«, erklärte Tidy. »Und ich muss dafür nur an diesem Seil ziehen. Jeder Narr könnte das. Aber ich habe damit meinen Wohlstand begründet.« Obwohl Tidy sorgfältig vermied, darüber zu sprechen, hatte er inzwischen ein Vermögen angehäuft, das dem von Doktor Pincher durchaus ebenbürtig war.
»Und nun wirst du an diesem Seil in eine höhere Sphäre hinaufklettern, Faithful. Vielleicht wirst du ein Rechtsgelehrter oder ein Gentleman. Eines Tages wirst du mich vielleicht als einfachen, ungebildeten Mann belächeln. Aber vergiss nie, dass dieses Seil dich dorthin gebracht hat.«
Während Tidy seinen Sohn belehrte, hing Pincher, der sich nach dem Besuch der Tidys nicht vom Fleck gerührt hatte, ganz anderen Gedanken nach.
Irgendwann würde Wentworth scheitern, dachte der Gelehrte. Alle englischen Gouverneure von Irland scheiterten früher oder später. Und falls Karl aus irgendeinem Grund gezwungen sein würde, doch ein Parlament einzuberufen, würde dieses mit dem König abrechnen. Eine gerechte Rache, auf die alle Puritaner in England und Irland nur warteten. Welche Form diese Rache annehmen würde, wusste Pincher nicht. Aber er würde sich auf diesen Tag der Abrechnung vorbereiten. Wenn er ein Feind Wentworths war, musste er folglich von heute an auch ein Feind des Königs werden. Und so ging Doktor Pincher, ohne dass es ihm vollständig bewusst war, den ersten Schritt auf dem Weg zum Hochverrat.
* **
Wenn Maurice nicht gewesen wäre, hätte Brian O’Byrne nichts von ihrer Anwesenheit erfahren.
Es war kurz nach Mittsommer, und Walter Smith hatte mit seiner Frau zwei Tage lang einen befreundeten Kaufmann in Wicklow besucht. Maurice und Orlando hatten das Paar begleitet. Auf der Heimreise beschlossen sie früh am Morgen, einen Abstecher nach Glendalough zu machen. Sie spazierten durch die uralten Ruinen, bewunderten den Rundturm und genossen die Stille, die an den beiden Bergseen von St. Kevins herrschte. Gegen Mittag brachen sie wieder auf. Die Tage waren lang, und auch wenn sie gemütlich ritten, konnten sie Dublin noch vor Anbruch der Dunkelheit erreichen. Nach einer Weile zeigte Orlando ihnen den Pfad, der nach Rathconan führte.
»Rathconan. Oh, ich würde es zu gern sehen«, rief Maurice daraufhin.
»Wenn du dem Pfad bis zu dem Baum da vorn folgst«, sagte Orlando und deutete auf einen nicht weit entfernten Baum, »kannst du das alte Turmhaus sehen. Aber reite nicht weiter, sonst sieht man dich noch. Ich habe Brian nämlich gar nicht gesagt, dass ich in der Gegend bin.«
Aber natürlich ritt Maurice doch weiter, und O’Byrne selbst erspähte den jungen Mann, erkannte ihn sofort und winkte ihn zu sich. Und zwei Minuten später stand Brian auf dem Hauptpfad, tadelte Orlando dafür, dass er so unfreundlich an seinem Haus vorbeiritt und lud Walter und Anne ein, bei ihm zu rasten. Es wäre unhöflich gewesen, abzulehnen. Walter sagte zwar: »Wir können nicht lange bleiben«, aber Anne lächelte und erwiderte: »Ich würde sehr gerne Ihr Haus sehen.« Maurice war schon längst zu dem
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