Die Rebellen von Irland
Schoß der Kirche aufgehoben, während man ihn, Doktor Simeon Pincher, unbarmherzig ausgeschlossen hatte. Ohne Zweifel erlaubten die Gehälter und Vergünstigungen, die Tidy von der Kathedrale erhielt, es ihm, seinen Sohn aufs College zu schicken. Und nun wollte er, dass er ein gutes Wort für den Jungen einlegte. Faithful Tidy würde unter seiner Schirmherrschaft in Trinity studieren – und sein eigener Neffe Barnaby, für den er sich genau das gewünscht hatte, nicht. Oh, wie ihn das ärgerte. Er wandte sich an den Jungen.
»Du hast also fleißig gelernt?«
»Ja, Sir.«
»Hm.« Mal sehen. Pincher sprach den Jungen plötzlich auf Lateinisch an und stellte ihm eine Frage zu Cäsars Schriften.
Zu seiner Überraschung antwortete ihm der Junge in fehlerlosem Latein ausführlich und schloss mit einem Zitat des großen Mannes.
Pincher stellte ihm noch weitere Fragen, die der Junge alle auf Latein beantwortete. Er betrachtete den Jungen und merkte, dass auch dieser ihn mit seinen hellen, weit auseinanderstehenden Augen respektvoll, aber intelligent beobachtete.
Pincher war beeindruckt, zeigte es aber nicht. Hatte der Junge vielleicht ein Empfehlungsschreiben von seiner Schule? Tidy zog einen Brief aus der Tasche, den Pincher auf den Tisch warf, aber nicht las. Trotz seines Ärgers hatte er sich bereits entschlossen, den Jungen unter seine Fittiche zu nehmen. Schon um seiner gütigen Mutter einen Gefallen zu tun. Aber diese Leute sollten sich nur nicht einbilden, sie könnten ihn um den Finger wickeln. Er starrte sie so streng an, dass sein Gesicht beinahe zur Grimasse erstarrte. Und dieser unfreundliche Blick brachte Jeremiah Tidy dazu, seinen letzten Trumpf auszuspielen.
»Ich würde Euch nicht damit belästigen, wenn Ihr nicht immer so gut zu uns gewesen wäret. Das war sehr gütig von einem so großen Gelehrten, einem Mann aus Cambridge, wie Ihr es seid.«
Einem Mann aus Cambridge. Da war er wieder, dieser betont unterwürfige Tonfall. Pincher zuckte unwillkürlich zusammen.
»Ich werde tun, was ich kann, Tidy«, sagte er resigniert und winkte sie hinaus.
***
Nachdem sie ungefähr hundert Schritte gegangen waren, sprach Faithful seinen Vater an:
»Was sollte das eben mit Cambridge?«, fragte er.
»Ah«, lächelte sein Vater. »Was ist dir denn dabei aufgefallen?«
»Sobald Sie das Wort Cambridge aussprachen, sah er aus, als hätte ihn ein Floh gebissen.«
»Das ist sozusagen meine Geheimwaffe. Ist mir vor Jahren mal aufgefallen. Er hat wahrscheinlich irgendeine Dummheit in Cambridge angestellt und will nicht, dass jemand davon erfährt. Aber er vermutet, dass ich Bescheid weiß und das macht ihn nervös. Also lasse ich ihn in dem Glauben. Eine Hand wäscht die andere.«
»Was hat er denn angestellt?«
»Keine Ahnung.«
»Interessiert es Sie denn gar nicht?«
»Nein. Ich weiß es nicht, und das ist auch besser so. Mir reicht, dass er jedes Mal macht, was ich will, wenn ich Cambridge erwähne.«
Faithful merkte sich diese Worte.
Als sie sich der Kirche näherten, bedeutete Tidy seinem Sohn, ihm in die Kathedrale zu folgen. Sie war verlassen, und die beiden waren ganz allein in dem riesigen Raum. Tidy führte seinen Sohn zu dem langen Glockenseil, das von der Glocke herabhing, die alle Protestanten zum Gebet rief. Der Küster blieb neben dem Seil stehen und sah seinen Sohn bedeutungsvoll an. Er hatte sich vor vielen Jahren diese kleine Predigt zurechtgelegt, und jetzt war der Zeitpunkt gekommen, sie zu halten.
»Siehst du dieses Glockenseil, Faithful?« Faithful nickte. »Was bedeutet es?«, fuhr sein Vater fort. »Es ist nur ein Seil, sonst nichts. Ein Mann könnte sich daran aufhängen, oder daran emporklettern. Aber mein ganzes Leben gründet darauf, dass ich daran ziehe.« Er legte eine Pause ein und schüttelte staunend den Kopf, weil es so einfach war.
»Weil ich an diesem Seil ziehe, habe ich das Recht, auf dem Kirchengelände zu leben. Und was ist das für ein Ort, der Bezirk der Christ Church?«
»Ein Freibezirk«, antwortete sein Sohn.
»Ein Freibezirk«, wiederholte sein Vater. »Und was ist das Besondere an einem Freibezirk?«
»Wir stehen unter der Herrschaft des Dekans.«
»Korrekt. Wir gehorchen weder dem Bürgermeister von Dublin noch dem königlichen Sheriff, eigentlich nicht einmal dem Lord Deputy. Der Freibezirk ist im Grunde genommen ein eigenes kleines Königreich, in dem nur der Dekan herrscht. Und wir genießen alle Vorzüge eines solchen Freibezirks. Ich muss für meine
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