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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Anwesen unterwegs.
    Als sie sich dem alten Turm näherten, warf Brian Walter einen Seitenblick zu und murmelte: »Der Sitz Ihrer Familie.«
    »Ah.« Walter rang sich ein schwaches Lächeln ab.
    »Ihrem Sohn scheint es hier zu gefallen.« Maurice umrundete mit entzücktem Gesicht den Turm.
    O’Byrne sah zu Anne hinüber, die sich anerkennend umschaute.
    »Treiben Sie die Rinder dort hinauf?« Sie zeigte auf die wilden Berghänge über dem Haus.
    »Im Sommer.«
    Er erinnerte sich sehr gut an Orlandos Schwester. Orlando traf er zwar immer noch gelegentlich, aber Anne hatte er seit jenem Tag, da sie gemeinsam die Insel besucht hatten, nicht mehr gesehen. Das musste inzwischen schon mehr als zehn Jahre her sein. Sie hatte sich erstaunlich wenig verändert. Ein paar Falten mehr, einige graue Haare. Aber immer noch eine sehr attraktive Frau. Sie war ein wenig älter als er selbst, also musste sie Mitte vierzig sein. Und führte mit ihrem Mann immer noch das gleiche, langweilige Leben, dachte er im Stillen.
    Auch sein eigenes Leben in Rathconan floss ruhig und friedlich dahin. Er hatte inzwischen eine ganze Schar Kinder. Die zwei Söhne wurden vom Priester unterrichtet, und die Mädchen lernten Lesen und Schreiben, aber sonst nichts. Vor einem Jahr war seine Frau bei der Geburt des siebten Kindes gestorben. Er hatte lange um sie getrauert, aber nun war ein Jahr verstrichen und allmählich musste er sich nach einer neuen Frau umsehen. Dem gut aussehenden Brian O’Byrne von Rathconan würde es nicht schwerfallen, eine junge Frau aus Wicklow zu finden, die gern sein Bett teilen, sein prächtiges Anwesen verwalten, seinen Haushalt führen und sich um seine lebhaften Kinder kümmern würde.
    Auf Annes Bitte hin führte er seine Gäste herum. Sie bewunderten das alte Steinhaus und die wunderbare Aussicht. Maurice war besonders begeistert und starrte alle O’Byrne-Kinder, die ihm begegneten, an, um zu erkunden, ob sie die Smaragdaugen ihres Vaters geerbt hatten. Aber keines hatte grüne Augen. Er wollte mit O’Byrne den Hügel hinaufwandern zu den Sommerweiden, und Brian willigte ein. Anne wollte ebenfalls mitkommen. »Dann gehen wir eben alle gemeinsam«, gab Walter mit einem Seufzer nach. Als der Spaziergang zu Ende war, ging es bereits langsam auf den Abend zu. Brian drängte seine Gäste, mit seiner Familie zu essen und die Nacht in Rathconan zu verbringen. Und da Walter merkte, dass außer ihm alle darauf große Lust hatten, machte er gute Miene zum bösen Spiel und nahm die Einladung an.
    Am großen Abendessen pflegte in Rathconan die gesamte Hausgemeinschaft teilzunehmen. Alle saßen nach alter irischer Tradition am selben Tisch, und oft gesellten sich noch Nachbarn oder Reisende dazu. Der Priester segnete das Essen, und oft spielte nach dem Mahl jemand ein Liedchen auf der Fiedel oder erzählte ein paar Geschichten. An diesem langen Sommerabend waren besonders viele Gäste zugegen. Man erzählte sich Abenteuer von Cuchulainn und Finn, und Geistergeschichten aus der Gegend. Musik erklang und es wurde getanzt. Brian O’Byrne beobachtete seine Gäste den ganzen Abend lang. Orlando fühlte sich natürlich wie zu Hause und wippte zufrieden im Takt der Musik mit dem Fuß. Bei Walter Smith war es anders: Obwohl der stämmige, grauhaarige Dubliner die ganze Zeit höflich lächelte, sah man, dass er sich nicht wirklich wohl fühlte. Kaum zu glauben, dass der Mann sein eigen Fleisch und Blut war, dachte O’Byrne. Der gut aussehende junge Maurice mit den grünen Augen hingegen hätte auch sein eigener Sohn sein können. Seine Augen leuchteten, sein Gesicht war gerötet, und er hatte sich schon ein hübsches junges Bauernmädchen ausgeguckt. Maurice gehörte nach Rathconan, kein Zweifel. Es kam eben nicht nur auf die Abstammung, sondern auf den individuellen Charakter eines Mannes an, dachte O’Byrne.
    Immer wieder wanderte Brians Blick zu Anne. Sie amüsierte sich offensichtlich sehr und wippte genau wie ihr Bruder mit dem Fuß zur Musik. Als immer noch Leute tanzten, sah Brian, dass sie sich zu Walter beugte und etwas zu ihm sagte. Er schüttelte nur mit dem Kopf, woraufhin sie leicht verärgert mit den Schultern zuckte. Einen Augenblick später winkte sie Maurice zu sich, der sie zur Tanzfläche führte. Sie tanzte voller Grazie, und O’Byrne wäre gern selbst ihr Partner gewesen. Vernünftigerweise entschied er sich jedoch dagegen. Und obwohl sie ein- oder zweimal in seine Richtung blickte, tat er so, als sähe er sie gar

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