Die Rebellen von Irland
nicht.
Aber nach dem Tanz führte Maurice seine Mutter direkt zu ihm, denn er hatte eine Bitte. Ihrem Sohn gefiele es so gut in Rathconan, erklärte sie, dass er sich frage, ob O’Byrne ihn vielleicht eine oder zwei Wochen als Gast bei sich aufnehmen wolle. Wäre das möglich?
»Aber natürlich, Mwirish«, antwortete Brian herzlich. »Du bist hier immer willkommen. Aber zuerst solltest du deinen Vater um Erlaubnis bitten.«
Und in den Minuten, in denen Maurice zu seinem Vater ging, der gerade in ein Gespräch mit dem Priester vertieft war, hatte O’Byrne zum ersten Mal das Gefühl, dass Anne Smith vielleicht ihm gehören könnte. Sie stand vor ihm, das Gesicht vom Tanz leicht gerötet. Mit einem Lächeln sagte er zu ihr, dass alle Mädchen aus der Gegend das Haus belagern würden, falls ihr hübscher Sohn sein Gast wäre. Sie lachte und legte ihm die Hand auf den Arm: »Ich beneide ihn darum, dass er hier bei Ihnen in den Bergen sein wird.« Und dabei blickte sie ihm direkt in die Augen. In diesem Moment erwachte all die unausgesprochene Intimität, die sie an jenem längst vergangenen Nachmittag auf der Insel gespürt hatten, zu neuem Leben und umhüllte sie. Er sah sie an und nickte. »Ich wünschte, du würdest mit ihm kommen«, antwortete er leise und ernst, und sie blickte nachdenklich drein.
»Ich glaube nicht, dass das möglich wäre«, erwiderte sie im gleichen Tonfall. »Vielleicht …«
Aus dem Augenwinkel sah Brian, dass der Junge mit seinem Vater sprach. Walter Smith blickte mit einem Stirnrunzeln zu ihnen herüber. Er entschuldigte sich bei Anne, ging zu dem Dubliner Kaufmann und richtete höflich das Wort an ihn:
»Ihr Sohn hat mich gerade gefragt, ob er mich irgendwann für eine Weile besuchen darf. Mein Haus steht ihm jederzeit offen, aber ich habe ihm gesagt, er solle erst seinen eigenen Vater fragen.«
»Sie sind sehr freundlich«, lenkte Walter sofort ein. »Ich hatte Angst, er hätte Sie belästigt.«
»Überhaupt nicht. Wir haben hier sehr oft Gäste, und er wäre mir lieber als die meisten.«
»Zurzeit geht es leider nicht«, sagte Walter. »In Dublin warten viele Aufgaben auf ihn.«
»Ich bin gelegentlich selbst in der Stadt. Wenn ich das nächste Mal nach Dublin fahre, werde ich bei Ihnen vorbeigehen. Falls Sie Maurice dann entbehren können, soll er mich begleiten. Falls nicht, dann eben ein anderes Mal. Und du«, sagte er an Maurice gewandt, »gib deinem Vater keinen Grund zur Klage, sonst bist du hier nicht willkommen, Mwirish.« Er grinste Walter Smith an, schließlich waren sie beide Väter. »Habe ich Recht?«
»Sie haben Recht«, antwortete Walter sichtbar erleichtert.
Brian O’Byrne stand meist im Morgengrauen auf, und am folgenden Morgen erwachte er unter einem strahlend blauen Himmel. Er ging nach draußen und lief zu einem Tor in der Befestigung, von dem man einen wunderbaren Ausblick auf die Küste und das ferne Meer hatte. Er sah gern zu, wie die Sonne aufging. Er blickte so konzentriert auf den östlichen Horizont, dass er gar nicht merkte, wie sich ihm jemand näherte, bis die Person plötzlich neben ihm stand. Es war Anne.
»Was machst du hier draußen?«, fragte sie.
Er zeigte auf den Horizont, über dem in diesem Moment der strahlende Rand der goldenen Sonnenscheibe erschien. Er hörte, wie sie scharf den Atem einzog. Sie beobachteten zusammen, wie die Sonne aus dem Meer aufstieg und ihren majestätischen Weg über den Himmel begann. Beide schwiegen. Er spürte ihren Arm an seinem.
»Ich habe dich von meinem Fenster aus gesehen«, sagte sie leise. »Alle anderen schlafen noch. Betrachtest du dir oft den Sonnenaufgang?«
»Immer, wenn der Himmel klar ist.«
»Ah. Das muss schön sein.«
Er nickte und sah einen Augenblick in Richtung Haus. Die ersten Sonnenstrahlen hatten die Mauern erreicht, aber das alte Haus lag immer noch wie schlafend da, als sei es unempfindlich gegen sie. Brian legte Anne sanft den Arm um die Taille, und sie ließ es geschehen.
Er warf ihr einen Seitenblick zu. Sie drehte den Kopf ein wenig zu ihm und lächelte.
»Vielleicht komme ich bald nach Dublin«, sagte er.
»Das wäre gut«, sagte sie. In diesem Augenblick ließ ein plötzliches Geräusch sie auseinander fahren. Aber sie sahen niemanden. Trotzdem lief Anne allein zum Haus zurück und ging wieder ins Schlafzimmer, wo ihr Ehemann schlief. O’Byrne ging in den Stall, um nach den Pferden zu sehen.
Sie wussten also nicht, dass Orlando das Geräusch verursacht hatte. Er hatte
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