Die Rebellen von Irland
nach England zurückkehren, um dem König aus seinen Schwierigkeiten zu helfen. Offenbar ist er der Einzige, dem König Karl noch vertraut. Er wird unverzüglich abreisen, das habe ich heute Morgen in der Burg gehört. Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer in ganz Dublin. Vater, sehen Sie nun, dass ich hierher reiten musste, um Ihnen das zu sagen?«
»Du hast richtig gehandelt«, nickte Walter, und der junge Maurice grinste.
»Ich habe auch noch eine andere Neuigkeit zu berichten. Was glaubt ihr, wen ich zufällig auf der Straße getroffen habe? Brian O’Byrne.«
Mary sah, wie Annes Körper sich verkrampfte. Walters Gesicht war ausdruckslos. Nur Orlando reagierte:
»Und was gibt es Neues, Maurice?«
»Er wird wieder heiraten. Eine Lady aus Ulster, aus der noblen O’Neill-Familie. Eine Verwandte von Sir Phelim O’Neill. Ist das nicht eine gute Nachricht?«, strahlte er sie alle an.
Mary beobachtete Anne und sah, wie diese zusammenzuckte und dann beinahe in die Knie ging, als habe man ihr einen Schlag in den Bauch versetzt. Dann richtete sie sich wieder auf und fasste sich mit einer beinahe majestätischen Ruhe. Wie eine Nonne, die ihr Habit zurechtstreicht. Aber sie blieb stumm, und alles Blut war ihr aus dem Gesicht gewichen. Sie wirkte plötzlich so bleich und eingefallen wie ein Totenschädel. Auch die beiden Männer bemerkten es. Wieder reagierte Orlando am schnellsten.
»Eine Verwandte von Sir Phelim O’Neill?« Einer der wichtigsten Männer von Ulster.
»Das hat er gesagt.«
»Was für eine gute Partie.« Mary begriff, dass ihr Ehemann Maurices Aufmerksamkeit von Anne ablenken wollte, denn er sprach schnell weiter: »Und wer wird Wentworths Platz einnehmen?«
»Darüber habe ich nichts erfahren«, sagte Maurice. »Mutter, ist Ihnen nicht wohl? Sie sehen schrecklich blass aus.«
»Der Spaziergang hat deine Mutter erschöpft«, antwortete Walter fest. »Aber da du ein Pferd mitgebracht hast, kann deine Mutter nach Hause reiten und du läufst mit deinem Onkel und deiner Tante.«
Maurice stieg sofort ab und gab seinem Vater die Zügel.
»Lauf mit uns, Maurice«, sagte Mary. »Wir haben dich schon viel zu lange nicht mehr gesehen.« Sie und Orlando hakten den jungen Mann unter und begannen sofort den Heimweg über den kleinen Pfad. Walter und Anne blieben allein zurück.
Anne hatte sich sehr langsam erhoben. Sie wich dem Blick ihres Mannes aus und starrte an ihm vorbei.
»Ich möchte gerne zum Strand reiten«, sagte sie. »Du solltest mit den anderen gehen, ich hole euch sicher bald ein.«
»Ich warte lieber hier auf dich.«
»Vielleicht brauche ich ein wenig länger.«
»Ich werde dennoch auf dich warten.«
***
Anne ritt langsam durch die Dünen auf den offenen Sandstrand. Sie war allein dort. Langsam lenkte sie ihr Pferd nach Süden, in Richtung Ben of Howth. Draußen im Wasser glänzte die kleine Insel mit der zerklüfteten Klippe im blassen Sonnenlicht. Sie wirkte wie ein Schiff, das im Begriff war abzulegen. Anne betrachtete die Insel und dachte: Ich werde allein alt werden und sterben.
Sie ritt weiter nach Süden. Ein Brachvogel segelte über das Flachwasser, und sie hörte die Möwen schreien. Die See war ruhig, aber winzige Wellen plätscherten am Ufer. Sie sah, dass die Flut sich zurückzog. Er hat mich für immer verlassen, dachte sie. Mich und unser Kind. Er hat mich ohne ein Wort des Abschieds verlassen.
Der Schmerz war so heftig, dass sie nicht weiterreiten konnte. Sie musste absteigen und sank im Sand auf die Knie. Und dort blieb sie und hörte den Wellen zu, die mit eintönigem, immer gleichem Plätschern ins Meer zurückflossen. Ins Meer, das sich langsam zurückzog und sie verließ, genau wie das Leben selbst.
Was hatte Lawrence damals gesagt?
Heart over head,
Better dead.
Hatte er doch Recht gehabt? Ja, dachte sie, er hatte Recht. Sie sackte zusammen. Vor Schmerzen fast blind starrte sie auf die zurückweichende See und hörte die Wellen sagen: Better dead, better dead. Lieber tot. Lieber tot. Lieber tot.
***
So verharrte sie lange Zeit. Dann erhob sie sich langsam und ritt zurück zum Brunnen, wo Walter auf sie wartete.
CROMWELL
* 1640 *
Niemand hatte Maurice gesagt, was sie mit dem Kind im Sinn hatten. Deshalb war es für ihn eine große Überraschung.
Kurz nach Weihnachten begleitete er seine Mutter und den kleinen Daniel nach Fingal, wo sie drei angenehme Tage verbrachten. Maurice war fast die ganze Zeit mit Onkel Orlando zusammen, während sich seine
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