Die Rebellin
allein zu wohnen. Was sind diese reichen Leute doch arm, dachte der Bauer, der sich nicht vorstellen konnte auch nur einen Tag ohne Gesellschaft zu verbringen.
»Meine Frau kam dreimal wöchentlich zu Ihrem Bruder, um Wäsche und Haushalt zu versorgen«, meinte Manolis und Mando erklärte, diese Regelung könne beibehalten werden. Sie einigten sich darauf, dass der Bauer dafür sowohl Stefanos Schafe als auch deren Nachwuchs behalten dürfe, ebenso wie die Kuh und das Kalb.
»Meine Frau wird Ihnen Brot, Milch, Käse und andere Produkte bringen«, versprach der Bauer und verabschiedete sich.
Das dreizimmrige Haus war spärlich, aber freundlich eingerichtet. Bunte Flickenteppiche bedeckten den Steinboden, Holzscheite waren ordentlich neben dem Kamin aufgeschichtet und auf den Betten lagen saubere schafwollene Decken.
Vassiliki wäre entsetzt gewesen, dachte Mando, als sie sich aus dem Brunnen Wasser schöpfte, aber mir gefällt es.
Am meisten gefiel ihr, dass sie endlich wieder etwas Eigenes hatte und von niemandem abhängig sein würde. Nur das Pferd würde sie ihrem Cousin zurückbringen müssen. Manolis würde ihr sicher einen Esel geben.
Mando hatte keinen Plan.
In ihrem Dasein gab es kein anderes Ziel mehr, als zu überleben. Das erforderte in einem den Elementen so ausgesetzten Haus genug Anstrengung. Vor allem für jemanden, der sein ganzes Leben lang von Personal bedient worden war und nun erstmals ganz auf sich selber gestellt war. Mando betrachtete die Überlebensfrage als eine Herausforderung. Dabei ging es weniger um ihr leibliches Wohlbefinden – die Bäuerin lehrte sie Kochen, Waschen und Nähen –, sondern hauptsächlich um ihr seelisches.
Dafür hätte ich zu dir kommen sollen. Sie durfte es nicht zulassen, dass sie ein einziger Satz in den Wahnsinn trieb.
Es war kurz nach Weihnachten. Mando stand in ihrer Küche und nahm einen Fisch aus, als sie Hufgetrappel und Stimmen hörte. Sie wischte sich die Hände an ihrer karierten Schürze ab und trat vors Haus.
Der Mann, der ihr den Rücken zugekehrt hatte, half einem jungen Mädchen vom Pferd.
»Tante!«, rief Lambrini und eilte auf Mando zu. Diese hätte ihre Tochter fast nicht erkannt, so sehr war sie gewachsen und so fremd machten sie die vielen Löckchen, die das kleine Gesichtchen umrahmten. Marcus führte die Pferde zur Tränke, während Mando ihre Tochter umarmte.
Lambrini trat einen Schritt zurück und rümpfte die Nase.
»Du stinkst!«, stellte die Elfjährige fest, sah durch die offene Tür ins Haus und hob eine Augenbraue, so wie Mando das früher bei Pappas Mavros bewundert hatte.
»Du wohnst wirklich hier? Das ist ja schrecklich!«
Ganz die Großmutter, dachte Mando und unterdrückte ein Lächeln.
»Lambrini! Haben sie dir in Paris keine Manieren beigebracht?«, kam jetzt Marcus' Stimme. Zur Begrüßung deutete er eine kleine Verbeugung an.
»Aber, Onkel, ich soll doch auch ehrlich sein!«
»Sie ist nur für die Weihnachtsferien hier«, erklärte Marcus, ohne Mando anzusehen.
»Und morgen fahre ich zu Papa nach Mykonos!«, krähte Lambrini.
»Papa?«, fragte Mando.
»Marmellakis«, erwiderte Marcus, »aber ich denke, dass sie es vorziehen wird, bei meiner Mutter zu wohnen. Ich wollte dich fragen, ob du sie hinbringen möchtest.«
Lambrini war inzwischen ins Haus geeilt und stieß Rufe des Entsetzens aus.
»Dann könntest du etwas Zeit mit ihr verbringen«, sagte er leise. Er stand jetzt so dicht neben ihr, dass sie beinahe seinen Atem spüren konnte.
»Sie nennt uns Onkel und Tante«, flüsterte Mando.
»Was sonst?«, gab er zurück. »Zum Glück weiß sie es nicht besser.«
Lambrini war wieder herausgestürzt.
»Da unten sind ganz viele Schafe!«, rief sie und deutete auf Manolis Weideland. »Darf ich sie streicheln?«
Bevor ihre Eltern zugestimmt hatten, war sie schon davongestürmt. Mando lachte, als sie sah, wie sich Lambrini beim Sprung über die mit Marmorbrocken durchsetzte Steinmauer das Kleid aufriss.
»Doch nicht ganz Zakarati«, bemerkte sie zufrieden.
»Aus meiner Familie könnte sie ja auch etwas haben«, murmelte er, als er Mando ins Haus begleitete. Er setzte sich an den frisch geschrubbten Esstisch. Mando reichte ihm einen Becher.
»Gutes Wasser«, lobte er, nachdem er einen Schluck getrunken hatte.
»Mein eigener Brunnen«, erklärte Mando stolz. »Man sagt, dass er aus einer Quelle aus Naxos gespeist wird. Es gibt somit einen Fluss unter dem Meer zwischen Naxos und Paros.«
»Davon gibt es
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