Die Rebenprinzessin
Heinrich Oldenlohe wappnete sich augenblicklich gegen einen Angriff, doch darum schien es Giacomo nicht zu gehen. Obwohl er die Möglichkeit gehabt hätte, sein Schwert zu ergreifen und erneut nach seinem Gegner zu stoßen, wirbelte er herum und rannte auf die Flammen zu.
Als der Waffenmeister realisierte, was der Lombarde vorhatte, folgte er ihm in die Flammen.
30. K APITEL
Das Feuer war wie ein Ungeheuer, das mit jedem Weinstock, den es fraß, größer wurde. Geschützgeruch strömte Bella in die Nase und brachte sie zum Husten – jedoch nicht zum Innehalten.
Nachdem sie das Klirren von Schwertklingen ganz in der Nähe vernommen hatte, hatte es sie nicht länger in ihrem Versteck gehalten, dabei hatte Giacomo ihr etwas ganz anderes geraten.
An diesen Ort war sie geflüchtet, nachdem der Italiener ihre Fesseln durchtrennt hatte. Zunächst hatte sie freilich geglaubt, dass er sie töten wollte, als er den Dolch gezogen hatte. Doch dann hatte sich die Klinge in die Fesseln gebohrt und sie zerfetzt.
»Flüchtet zu den neuen Reben«, hatte er ihr zugeraunt. »Versteckt Euch dort. Wenn alles vorüber ist, geht fort von hier. Und seht zu, dass Ihr Roland von Hohensteins Männern nicht über den Weg lauft, die werden nicht so viel Gnade zeigen wie ich. Mehr kann ich nicht für Euch tun.«
Bella verstand, was er damit sagen wollte. Er rechnete damit, dass ihr Vater in diesem Kampf unterlag. Was den Weinberg anging, hatte er recht. Sicher sprang das Feuer auch bald auf die Reben über, die noch von ihrem feuchten Gehölz geschützt waren, und dann wäre alles zerstört.
Sie hatte sich bedanken wollen, doch da war der Italiener schon verschwunden gewesen. Als Bella bemerkt hatte, dass die Leute ihres Vaters den Brand zu löschen versuchten, hatte sie sich auf die Suche nach Martin machen wollen, doch ihr war nichts anderes übriggeblieben, als zu den neuen Reben zu laufen, denn das Feuer breitete sich in rasender Geschwindigkeit aus.
Nach einer Weile hatte sie die Klingen vernommen und später auch die Stimmen, von denen sie hätte schwören können, dass eine davon Martin gehörte.
Nun war das Schwerterrasseln verstummt. Wer auch immer hier gekämpft hatte, einer davon war unterlegen und entweder tot oder schwer verletzt.
Nachdem Bella weitere Rebstöcke hinter sich gelassen hatte, erblickte sie im gespenstisch lodernden und sich beständig nähernden Feuerschein etwas Dunkles am Boden.
Zunächst konnte sie nicht erkennen, was es genau war, als sie jedoch näher kam, erkannte sie zwei Männer, und dann sah sie auch das Gesicht des einen.
»Martin!«, brüllte sie. Ihr Herz krampfte sich zusammen, und sie hatte das Gefühl, zwei harte Hände würden ihr die Kehle zudrücken.
Er darf nicht sterben!, durchzuckte es flehentlich ihren Verstand.
Den Mann, der auf ihm lag, konnte sie nicht erkennen. Und ebenso wenig, ob einer von ihnen noch am Leben war.
Während ihr Herz panisch raste, lief sie zu den beiden, und als sie neben ihnen in die Hocke ging, sah sie, dass es sich um Roland von Hohenstein handelte. Aus dem Rücken des Fürsten ragte eine blutverschmierte Schwertspitze hervor. Doch was war mit Martin?
Indem sie ein angstvolles Schluchzen unterdrückte, packte Bella den Fürsten, der schwer wie ein Feldstein war, an den Schultern und versuchte ihn von Martin herunterzuzerren. Ungeahnte Kräfte schossen durch ihren Körper, und endlich bewegte sich Roland von Hohenstein. Auf den ersten Blick konnte sie nicht erkennen, ob ihr Liebster eine schwere Verletzung davongetragen hatte. Sie beugte sich über ihn, strich ihm übers Gesicht und tätschelte ihm ein wenig unbeholfen die Wangen.
»Martin, wach auf«, presste sie verzweifelt hervor. »Bitte, du darfst nicht tot sein. O Gott, du darfst nicht …« Schluchzend beugte sie sich über ihn und küsste ihn. Mit den Lippen strich sie ihm über die Stirn, die Augen, die Wangen und erreichte dann den Mund. Sie küsste ihn, als wollte sie ihm ihren Atem einflößen und ihn damit wieder zum Leben erwecken.
Da riss er die Augen auf und fuhr nach Luft schnappend in die Höhe. Bella wich zurück. Sie brauchte einen Moment, um zu realisieren, was geschehen war. Dann juchzte sie freudig auf und fiel ihm um den Hals. »Du lebst! Lieber Gott, du lebst!«
Martin wusste im ersten Moment nicht, wo er war. Er vernahm ihre Stimme und bemerkte auch die Berührungen, aber dem konnte er zunächst kein Ereignis zuordnen. Verwirrt blickte er sich um, dann stieg ihm der
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