Die Rebenprinzessin
Sinnen. Weder von seinen Angreifern noch von Bella war eine Spur auszumachen, es schien, als hätten sie ihn einfach unter dem Baum abgelegt, um ihn den Wölfen zu überlassen – oder um sich später um ihn zu kümmern.
Als er die ersten Flammen zwischen den Rebstöcken auflodern sah, stieß er einen verzweifelten Schrei aus. Sein Herz schmerzte, als hätte jemand einen Dolch hineingetrieben. Bella, das spürte er, war in großer Gefahr, denn es war Fürst von Hohenstein zuzutrauen, dass er sich auch der Tochter des Grafen entledigte.
Martin ignorierte den Schmerz in seinem Kopf und beschleunigte seine Schritte. Wenn Roland von Hohenstein Bella töten wollte, hatte er sie sicher in die Flammen schaffen lassen. Kurz durchzuckte ihn der Gedanke, dass der Fürst ihr schon vorher sein Schwert in die Brust gejagt haben könnte, doch er drängte ihn rasch beiseite. Wenn sie nicht mehr am Leben wäre, hätte ich es gewiss gespürt, dachte er und setzte seinen Lauf fort.
Als er wenig später den Rain des Weinbergs erreichte, erkannte er, dass sich die Flammen von innen heraus auszubreiten schienen. Der Gestank von Donnerkraut stieg ihm in die Nase, und als er auf den Boden schaute, erblickte er tatsächlich das schwarze Pulver, nach dem die Kanoniere in Padua immer gerochen hatten, wenn sie in die Schenke gekommen waren. Ein eisiger Schauder überlief Martin. Das war Giacomos Handschrift!
Doch jetzt ging es ihm nicht mehr um den Italiener, und auch Roland von Hohenstein war ihm egal. Er musste Bella finden, und zwar so schnell wie möglich.
Es dauerte nicht lange, bis das Feuer in der Burg bemerkt wurde. Bevor die Flammen die Mitte des Weinbergs erreicht hatten, strömten die ersten Männer mit Löscheimern aus. Die Glocke der Burgkapelle wurde geschlagen und lockte auch den Letzten von seinem Schlaflager. Die Hunde neben dem Tor bellten panisch, da ihnen der Rauch in die Nase stieg.
Wenig später erschien Rudolph von Katzenburg auf dem Burghof. »Was ist geschehen?«, begehrte der nachlässig gekleidete Graf von Heinrich Oldenlohe zu wissen, der gerade in aller Hast sein Schwert gürtete.
»Das werden wir gleich herausfinden, Euer Gnaden.«
»Könnte mein Widersacher dahinterstecken?«
Der Waffenmeister zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Aber wir werden den Schuldigen finden.« Mit diesen Worten rannte Oldenlohe zu den Wachquartieren, wo sich die Bewaffneten sammelten.
Noch während er ihnen nachsah, überkam den Grafen ein seltsames Gefühl. Es war, als würde ihn der Flügel des Todesengels streifen. Ein Schauer lief sein Rückgrat entlang, und erst jetzt bemerkte er, dass er keine Waffe bei sich trug. Seltsamerweise kam ihm als Nächstes Bella in den Sinn. Ist das die Strafe, weil ich sie fortgeschickt habe? Weil ich ihr meine Liebe nicht zeigen konnte. Jetzt werden die Flammen ihr Erbe vernichten. Doch dann ging ein Ruck durch ihn, und es war, als würde eine Stimme hinter ihm rufen: »Kämpfe! Kämpfe für deine Tochter.«
Ohne zu zögern, rannte der Graf Heinrich Oldenlohe hinterher. Die Männer waren erstaunt, ihren Herrn hier zu sehen, doch er ließ ihnen keine Zeit zum Gaffen. »Gebt mir ein Schwert!«, rief er den Männern zu und versuchte sich die Verzweiflung nicht anmerken zu lassen. »Lasst uns die Strolche fangen, die unseren Weinberg vernichten wollen.«
Verzweiflung überkam Martin, nachdem er die Hälfte des Weinbergs abgesucht hatte. Die Flammen breiteten sich immer weiter aus, und in seinen Augen dauerte es viel zu lange, bis das Wasser die Rebstöcke erreichte.
Wenn nun Bella sieht, wie der Ort, den sie liebt, zugrunde geht, dachte er, und ihn überkam tiefe Scham, dass er sich um ein Haar ebenfalls zum Werkzeug dieses Untergangs hätte machen lassen.
Fieberhaft suchte er den Boden ab und entdeckte tatsächlich Spuren. Sein Herz machte einen Satz, und er rannte weiter. Sie lebt noch, redete er sich ein. Ich werde sie finden!
Nach einer Weile traf er auf die ersten Leute mit Eimern und Butten, begleitet von Soldaten, die sicherstellen wollten, dass die Löschenden nicht von den Angreifern überfallen wurden. Unter ihnen befand sich auch Heinrich Oldenlohe, und für einen Moment dachte Martin daran, sich vor ihm zu verbergen. Wenn Graf von Katzenburgs Waffenmeister ihn hier sah und glaubte, dass er das Feuer gelegt hatte, rammte er ihm sein Schwert gewiss in die Brust. Andererseits war er der Einzige, der Giacomo aufhalten konnte.
»Herr Oldenlohe!«, rief Martin dem
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