Die Rebenprinzessin
Scheiteln sehen konnte. Hin und wieder hatte es so ausgesehen, als wollten sie sich entschuldigen, aber das hatten sie dann doch nicht gewagt. Mittlerweile hatten sie sich an den Umstand gewöhnt, dass Martin irgendwann ihr Herr sein würde. Wäre er rachsüchtig gewesen, hätte er dem Grafen ans Herz legen können, sie zu entlassen, aber er wusste, dass es eher in Bellas Sinne war, ihnen Tag für Tag aufzuzeigen, dass man Menschen nicht schlecht behandeln sollte.
Da kam Lies mit kreidebleichem Gesicht über den Hof gerannt. Mittlerweile war sie Bellas Kammerzofe, nachdem die Suche nach Oda ergebnislos geblieben war.
»Euer Gnaden, die Wehen haben eingesetzt!«, rief sie, am ganzen Leib zitternd.
Rudolph von Katzenburg und Martin blickten sich an und rannten beinahe gleichzeitig los.
»Herr Oldenlohe!«, rief der Graf, als er unterwegs auf seinen Waffenmeister traf. »Holt die Hebamme!«
Der Mann zögerte nicht lange und rannte in den Stall, um nur wenig später auf seinem Rappen wie vom Teufel gehetzt durch das Tor zu sprengen.
Martin stürmte derweil atemlos in Bellas Kemenate. Der Graf hielt sich zurück, und obwohl er sich um seine Tochter sorgte, wusste er, dass Martin besser dazu geeignet war, sich um sie zu kümmern.
Bella lag auf dem Bett, der Bauch gerundet wie ein Weinfass, und versuchte, gegen die Schmerzen anzuatmen. Katrina war bei ihr, und ihr war es wohl auch zu verdanken, dass ein angenehmer Kräuterduft in der Luft hing. Als die ehemalige Kinderfrau Martin erblickte, zog sie sich mit einem Lächeln zurück.
In Bellas Augen trat ein Leuchten, als sie die Hand nach ihm ausstreckte. »Du hast dir nicht viel Zeit gelassen.«
»Warum sollte ich das tun, meine Liebe?« Martin beugte sich über sie und wollte sie küssen, da schrie sie von einer neuerlichen Wehe gepeinigt auf. »Kann ich dir irgendwie helfen?«, fragte er besorgt, obwohl er wusste, dass er als Mann nichts tun konnte.
Da griff Bella nach seiner Hand. »Für den Fall, dass ich bei der Geburt sterben sollte, sollst du wissen, dass ich dich über alles liebe.«
Martin unterdrückte die Tränen, die ihm bei ihren Worten in die Augen geschossen waren, und strich ihr zärtlich über die Stirn. »Du wirst nicht sterben, das versichere ich dir.«
Bella sah ihn zweifelnd an, doch sie wollte ihm keinen unnötigen Kummer machen.
»Du kannst etwas tun«, sagte sie schließlich. »Bleib einfach bei mir, bis die Hebamme kommt.«
Die Hebamme, die Oldenlohe nach einer Stunde in die Burg brachte, war noch recht jung und auch resolut genug, Martin ebenso wie dem Grafen die Tür zu weisen.
»Bitte wartet hier. Was sich in diesem Gemach abspielt, ist nichts für einen Mann.«
Martin wollte widersprechen, doch er wagte nicht, gegen die Hebamme aufzubegehren. Zusammen mit seinem Schwiegervater, der so blass war, als hätte ihn der Schlag gerührt, ließ er sich auf die Holzbank sinken.
»Es wird gutgehen«, raunte Martin ihm nach einer Weile zu, als wüsste er, was in ihm vorging. »Bella ist eine starke Frau.«
»Das war ihre Mutter auch.«
»Mag sein. Aber Bella wird es schaffen.«
Schweigen hüllte die beiden ein, während sie den Geräuschen aus Bellas Schlafgemach lauschten.
Einige waren so furchterregend, dass die Männer aufsprangen und drauf und dran waren, in den Raum zu stürmen. Die Zeit verrann zäh wie Honig, der über einen Löffel fließt, und irgendwann wich das Tageslicht vor der roten Dämmerung zurück.
Als plötzlich ein lauter Schrei ertönte, zuckten die beiden Männer erneut zusammen. Diesmal war er lauter als alles zuvor und klang, als hätte jemand Bella die Seele aus dem Leib gerissen.
Während der Graf zitternd die Hände zum Gebet faltete, fuhr Martin auf.
Wenig später erschien die blasse Lies in der Tür. »Euer Gnaden …«
Martin wartete nicht ab, was sie zu sagen hatte. Er stürmte durch die Tür, sah Bella bleich inmitten blutverschmierter Tücher – und erblickte dann das schönste Lächeln, das er je gesehen hatte.
Trotz der Erschöpfung strahlten Bellas Augen, während sie zärtlich über den kleinen, blutverschmierten Leib strich, der auf ihrer Brust lag.
»Du hast eine Tochter«, sagte sie mit heiserer, aber überglücklicher Stimme und betrachtete zärtlich den haselnussfarbenen Haarflaum des Kindes, das leise vor sich hin wimmerte. »Eine kleine Rebenprinzessin.«
N ACHWORT
Kein Romanautor kommt umhin, Fakten mit Fiktion zu vermischen, um eine spannende Geschichte zu erzählen. In
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