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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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edler Baron, muß ganz natürlich wirken. Ihr werdet diese Kunst erst dann perfekt beherrschen, wenn niemand mehr die Übung, die sich dahinter verbirgt, erahnen kann.«
    Der Baron lutschte an einem seiner schlechten Zähne, spuckte gedankenlos auf den Holzboden und verwischte seinen Speichel mit einer Drehung des Fußes.
    Der junge Zeremonienmeister warf der alten Baronin einen entmutigten Blick zu. Diese betete gerade ihren Rosenkranz. Neben ihr saß Guillaume, der zukünftige Baron von Bellerocaille. Aus purer Langeweile vertrieb sich der junge die Zeit damit, einer Gottesanbeterin, die er im Schilf aufgestöbert hatte, die Beine auszureißen.
    »Man hat auf jede erdenkliche Art versucht, Euch einzutrichtern, daß es sich für Leute von Stand nicht schickt, zu spucken«, sagte Baronin Irène zu ihrem Sohn. »Das gilt ebenso für Eure schlechte Angewohnheit, Euch in die Finger zu schneuzen wie der letzte Bauer. Werdet Ihr wohl endlich eines der Taschentücher benutzen, die ich Euch gegeben habe?«
    »Nur über meine Leiche!« ereiferte sich der Baron und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Welch außergewöhnliches Vorrecht genießt denn dieser unerquickliche Rotz, daß Ihr ihm ein schönes Stück feiner, bestickter Wäsche offeriert, um ihn aufzunehmen? Und ihn sogar darin einzuwickeln und zärtlich an Euch zu drücken? Niemals, Madame, niemals! «
    Um sich zu beruhigen, zog er seinen Kautabak heraus und schnitt sich ein ordentliches Stück herunter, das er auf der rechten Seite kaute, der Seite, auf der seine Zähne in weniger schlechtem Zustand waren.
    Der Zeremonienmeister rollte erneut entmutigt die Augen, denn er hatte ihm ausdrücklich geraten, weder zu schnupfen noch Kautabak zu kauen. Beides sei dem übelsten Pöbel vorbehalten, wie das Pfeiferauchen den Matrosen. Um Haltung zu wahren, schlug er sein altes Exemplar von Honnete homme oder die Kunst bei Hofe zu gefallen von Nicolas Faret auf und las laut vor:
    »Wenn Ihr erst einmal bei Hofe seid und noch nicht die gewünschte Wirkung erzielt habt, so müßt Ihr bleiben. Sobald Euch dies aber geglückt ist, geht. Das ist das beste Mittel, um auf sich aufmerksam zu machen ... «
    »Nicht so schnell«, unterbrach ihn der Baron. »Laßt uns noch einmal auf die Anmut zurückkommen. Ihr sagtet, daß ich den Anschein erwecken müßte, als sei sie mir angeboren. Wollt Ihr mir damit etwa zu verstehen geben, ich bewegte mich nicht anmutig?«
    »Ganz und gar nicht, edler Baron, mit der Anmut, von der ich sprach, meinte ich, daß alles, was man tut, so aussehen muß, als geschehe es mit Leichtigkeit. Um diese Wirkung zu erreichen, müßt Ihr bei jeder Gelegenheit eine gewisse Nonchalance mit einer Spur Überheblichkeit zur Schau stellen. Die Italiener nennen das spezzatura, und es verhüllt das Gekünstelte, indem es zeigt, daß das, was man tut, mühelos, ja scheinbar ganz unabsichtlich geschieht. Diese Anmut muß in die Unterhaltung, in den Gebrauch der Waffe, in den Tanz einfließen, aber auch in das Spiel und jede andere alltägliche Verrichtung ... «
    Der Zeremonienmeister wurde erneut durch das Geschrei einer Schar Unzufriedener auf der Straße unterbrochen.
    Baronin Irène rutschte unruhig auf ihrem Sessel hin und her. Sie hatte den Aufstand der Bauern in schlechter Erinnerung behalten.
    »Wenn Ihr nicht so geizig wäret, hätten wir in unserem Lehen schon längst einen eigenen Henker. Die Mittel dazu wären ja vorhanden, soviel ich weiß.«
    Obwohl die Silberminen, die den Wohlstand der Boutefeux' und des Marktfleckens begründet hatten, vor einem halben Jahrhundert versiegt waren, sorgten doch die beträchtlichen Einkünfte aus den vielen Ländereien, die ihm als Lehnsherrn über die Vogteien des Baronats zustanden, dafür, daß die Familie keine Not leiden mußte. Doch der Niedergang des Marktfleckens bahnte sich an, und die wachsende Zahl leerstehender Häuser bewies diese Entwicklung.
    » Ihr schwätzt daher, wie es Euch beliebt, Madame. Ihr sagt >wir<, aber es geht gar nicht um Eure Louisdors. Wißt Ihr überhaupt, was der Unterhalt eines solchen Amtes kostet? Denkt Ihr, daß meine Bürger eine neue Abgabe begrüßen würden?«
    »Seit wann kümmert Euch denn deren Meinung?« erwiderte die alte Dame und spielte nervös mit dem Rosenkranz in ihrer Hand. »Wann werdet Ihr endlich zugeben, daß es das wahre Zeichen hoher Gerichtsbarkeit ist, wenn man über einen eigenen Scharfrichter verfügt? Wenn ich daran denke, daß wir nicht einen einzigen

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