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Die Regenbogentruppe (German Edition)

Die Regenbogentruppe (German Edition)

Titel: Die Regenbogentruppe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Hirata
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Bündel aufgegangen, und alle seine Kleider waren nass geworden. Zögernd stand er vor der Tür. Bu Mus musste ihn erst hereinbitten, aber im Unterricht war er dann so lebhaft wie immer.
    Nach der Schule kam Lintang zu mir. Er wirkte betrübt. Ich wunderte mich, das war sonst nicht seine Art.
    »Was hast du denn, mein Lieber?«, fragte ich so freundlich wie möglich, um ihn aufzuheitern. »Was macht dir Sorgen?«
    Lintang griff in seine Hosentasche. Er holte ein Taschentuch hervor. Das hatte neulich bei der Zeugnisfeier seine Mutter in der Hand gehabt. Lintang faltete es auseinander und ein Ring kam zum Vorschein.
    »Das ist der Ring, den mein Vater meiner Mutter zur Hochzeit gab«, brachte er stockend hervor. »Sie hat mich gebeten, ihn zu versetzen und dafür eine neue Kette und Reifen für das Fahrrad zu kaufen.«
    Lintang kamen die Tränen. Mir zog es das Herz zusammen.
    Wir machten uns auf den Weg zum Markt. Der kleine Ring wog ganze drei Gramm. Er hatte eine rötliche Färbung und sah aus wie eine Imitation. Aber es war das kostbarste Stück, das Lintangs Familie besaß. Immerhin erhielt er hundertfünfundzwanzigtausend Rupiah dafür, das waren damals etwa dreißig US-Dollar. Gerade genug, um eine neue Fahrradkette und zwei Reifen zu kaufen.
    Lintang fiel es furchtbar schwer, den Ehering seiner Eltern herzugeben. Er hielt ihn fest umschlossen. A Bun, der Juwelier, musste ihm die Finger einen nach dem anderen öffnen. Lintang liefen die Tränen übers Gesicht.
    »Dafür, dass deine Mutter ihren Ehering geopfert hat, wirst du den Intelligenzwettbewerb gewinnen, Boi «, sagte ich mit fester Stimme zu ihm, um ihn aufzuheitern. Boi ist unter Malaienjungen, die sich gut kennen, die übliche Anrede.
    Lintang sah mir fest in die Augen.
    »Das verspreche ich dir, Boi .«
    Nun hatte er sein zweites Versprechen gegeben. Ich liebte meinen Freund.
    *
    Und dann mussten wir alle Widrigkeiten und alle traurigen Gedanken hinter uns lassen, oder zumindest beiseiteschieben, denn unsere Klasse hatte Großes vor: zelten gehen.
    Wenn die Schule der Bergbaugesellschaft mit ihrem blauen Bus eine Exkursion nach Tanjung Pandan machte, den Tiergarten oder das Museum besuchte oder wenn die Schüler mit ihren Eltern Urlaub in Jakarta machten, dann fuhren wir an den Strand von Pangkalan Punai. Das waren von uns aus etwa sechzig Kilometer. Wir fuhren mit dem Fahrrad hin und hatten ungeheuren Spaß.
    Obwohl wir jedes Jahr nach Pangkalan Punai fuhren, wurde es mir dort nie langweilig. Jedes Mal, wenn ich dort am Strand stand, war ich von dem Anblick überwältigt. Wie dieser unendliche Strand sich vom Waldrand allmählich zum Meer hin senkt, ist von einer ganz eigenen Schönheit.
    Nachmittags saß ich gern auf dem Hügel und blickte nach Westen. Aus dem Fischerdorf drangen die Stimmen der Kinder herauf. Die Mädchen und Jungen da unten traten gegen die Bojen und spielten Fußball ohne Tore. Ihr Geschrei hörte sich friedlich an.
    Hinter mir erstreckte sich eine Savanne, so weit wie das Meer. Dort schwirrten Tausende von Finken im hohen Gras herum, die durcheinanderzwitscherten und kreischten und sich um sichere Schlafplätze stritten. Zwischen Reihen von Kokospalmen sah man riesige Felsen, wie sie typisch für Pangkalan Punai sind. Sie sind wie Grenzpfosten, die das blau schimmernde Südchinesische Meer säumen. Der brackige Fluss, der sich bis in die Ferne dahinschlängelte, leuchtete, als hätte man flüssiges Silber ausgegossen.
    Gegen Abend fielen die orangeroten Strahlen der sinkenden Sonne auf die Pfahlbauten mit Dächern aus Nanga-Blättern, die zwischen dem dichten Laub der Santigi-Bäume hervorschauten. Rauch stieg auf von den Öfen, in denen Kokosschalen verbrannt wurden, um zum Sonnenuntergang die Insekten zu vertreiben. Der Rauch, begleitet vom Ruf des Muezzins zum Abendgebet, schwebte noch eine Zeitlang wie ein Geist über der Ansiedlung, legte sich über das Geäst der Sternbäume mit den süßen Früchten und wurde schließlich von einer leichten Brise aufs weite Meer hinausgetrieben. Petroleumlampen flammten auf, ihre Lichter führten hinter den Fenstern einen stummen Tanz auf.
    Der Zauber von Pangkalan Punai erfasste mich, ich begann zu träumen. Aus dem Traumbild wurde ein Gedicht:
     
    Ich träume vom Paradies
     
    In Pangkalan Punai, am dritten Abend,
    Habe ich wahrhaftig das Paradies gesehen
    Das Paradies ist nichts Großartiges,
    Nur ein bescheidener Palast mitten im Wald
    Es gibt dort keine Engel,
    Wie in der Heiligen

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