Die Regenbogentruppe (German Edition)
die schlechtere Note, weil er sich nicht an die Regeln gehalten hatte.
»Um dich zu erziehen, gebe ich dir diesmal nicht die beste Note«, sagte Bu Mus zu Mahar, von dem sie annahm, er wäre einfach nachlässig gewesen. »Nicht weil deine Arbeit nicht gut wäre, sondern weil man bei jeder Aufgabe Disziplin zeigen muss. Begabung ohne die richtige innere Einstellung ist nutzlos.«
Mahar bereitete das keine schlaflose Nacht, schon gar nicht jetzt, wo ihn andere Dinge beschäftigten. Er dachte sich nämlich gerade ein künstlerisches Konzept für den Karneval am 17. August, dem Nationalfeiertag, aus.
*
17 Es war ein herrliches Gefühl, allmählich erwachsen zu werden. Nun gab es auch Unterricht in Dingen des praktischen Lebens. Wir lernten zum Beispiel, wie man gewürzte Eier kochte, stickte oder menata janur anfertigte, den traditionellen malaiischen Festschmuck aus jungen Kokosblättern. Wir fingen an, Englisch zu radebrechen: this is good, that is good, excuse me, I beg your pardon und I am fine, thank you . Die Aufgabe, die uns am meisten Freude machte, war das Übersetzen von Songs. Klassiker wie Have I told you lately that I love you waren mit einem Mal richtig aufregend.
Das Lied handelt von einem Jungen, der es hasst, vom Lehrer losgeschickt zu werden, um Kreide zu kaufen. Bis ihn eines Tages auf diesem Weg am Fischmarkt sein Schicksal ereilt.
Auch bei uns gehörte der Auftrag, Kreide zu kaufen, zu den Pflichten, die niemand mochte. Ähnlich verhasst war das Blumengießen. Sämtliche Farnarten, angefangen von Geweihfarnen bis zu zig Töpfen mit kleinblättrigen Farnen, die Bu Mus besonders liebte, mussten mit größter Vorsicht behandelt werden, als wären sie kostbares chinesisches Porzellan. Sie achtlos zu behandeln war ein schweres Vergehen.
»Das ist Teil der Erziehung!«, lautete der Kommentar von Bu Mus.
Das Wasserschöpfen aus dem Brunnen hinter dem Schulgebäude war eine echte Sklavenarbeit. Man musste zwei große Eimer füllen und auf den Schultern nach vorn schleppen, aber das war nicht das Schlimmste – der alte Brunnen war furchtbar unheimlich! Er war so tief, dass man nicht auf den Grund sehen konnte, als führte er in eine andere Welt oder in ein Nest von bösen Geistern. An den Morgen, an denen ich mich in der Frühe dort hinunterbeugen und Wasser schöpfen musste, spürte ich die Last des Lebens immer überdeutlich.
Nur wenn ich dann die schön gestreiften Cannas gießen konnte, fühlte ich mich wieder besser. Ach, wie herrlich diese Blumen waren, die ursprünglich einmal wild auf den feuchtheißen Hügeln Brasiliens wuchsen. Die dicht stehenden grünen Blätter bilden einen interessanten Kontrast zum Farbspiel der jungen Blüten, die in ursprünglicher Schönheit erstrahlen. Wenn sie blüht, strahlt die ganze Welt. Aber sie ist ein sehr empfindliches Gewächs, beim Gießen muss man äußerst vorsichtig sein. Es heißt ja auch, dass nur, wer eine ruhige Hand besitzt und ein reines Herz, sie ziehen kann – eben Bu Mus, unsere Lehrerin.
Wir besaßen einige Exemplare dieser wunderschönen Cannas und hatten ihnen mit allgemeiner Zustimmung einen Ehrenplatz zwischen dem Zwergpfeffer und der Spitzblume zugewiesen. Wenn sie alle gleichzeitig blühten, war es ein Fest.
Das Gießen erledigte ich immer in größter Eile, damit ich es rasch hinter mir hatte. Bei den Cannas aber ließ ich mir Zeit. Dann träumte ich und stellte mir vor, was wohl andere Menschen dächten, wenn sie mitten in so einem kleinen Paradies wären.
Unser kleiner Garten lag genau vor dem Büro unseres Schulleiters. Ein schmaler Pfad mit viereckigen Steinplatten führte hinein. Zu beiden Seiten wucherten Monstera, Nolina, Veilchen, Erbsen, kleine Kasuarinen, Taro und hoch aufgeschossene Begonien, die nicht gegossen zu werden brauchten. Die Pflanzen wuchsen wild durcheinander, mischten sich unter andere leuchtend bunte Blumen, deren Namen niemand kannte, und die unterschiedlichsten Gräser.
Unsere Schulglocke hing an einer langen Stange, an der die Zweige eines Flaschenkürbisses rankten. Ungehindert kletterten sie an der Holzwand unserer Schule hoch, bis zum Dach, auf dem sich schon einzelne Schindeln von den Nägeln gelöst hatten. Andere Kürbisranken stiegen am Jambu- und am Granatapfelbaum hoch, die uns Schatten spendeten. Die jungen Kürbisfrüchte hingen vor dem Fenster des Lehrerzimmers, sodass man sie mit der Hand erreichen konnte. Die Finken machten sich über sie her. Den ganzen Morgen schwirrten
Weitere Kostenlose Bücher