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Die Regenbogentruppe (German Edition)

Die Regenbogentruppe (German Edition)

Titel: Die Regenbogentruppe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Hirata
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dort Hummeln und Honigbienen herum. Wenn ich intensiv auf das Summen der vielen Bienen hörte, wurde mein Körper ganz schwerelos und ich hatte das Gefühl zu schweben.
    Unser Blumengarten war einerseits gut gepflegt, besaß aber auch einen verwilderten Teil. Im Hintergrund stand unser schiefes Schulhaus, wie ein leerstehendes verlassenes Gebäude aus einer früheren Zeit. Das verlieh dem Ganzen den Charakter eines natürlichen Paradieses.
    Wären da nicht die Schrecken der Geisterhöhle im Brunnen gewesen, hätte das Blumengießen großen Spaß machen können.
    *
    Das Besorgen von Kreide dagegen war wirklich schlimm. Der Laden Sinar Harapan – auf Deutsch »Hoffnungsstrahl« – war der einzige im Ostteil von Belitung, der Kreide führte. Der Weg dorthin war entsetzlich weit. Der Laden lag in der verkommenen Gegend rund um den Fischmarkt. Wenn man keinen starken Magen hatte, musste man sich bei dem Gestank von eingelegten Rettichen, fermentierten Bohnen, Tapioka, Krabbenmehlpaste, kleinen Trockenfischen, Tamarinde, Sojasoße, roten Bohnen und Jengkol-Bohnen, die in angerosteten Blechschüsseln vor dem Laden herumlagen, übergeben. Wer kühn genug war, den Laden zu betreten, dem trieb der scharfe Geruch von Mottenkugeln die Tränen in die Augen, und er musste die zweifelhaften Ausdünstungen von Ölfarben, Räucherholz, Seifenpulver und Insektengift ertragen und sich an Plastikbeuteln mit Kinderspielzeug und Fahrradschläuchen vorbeitasten, die überall herumhingen. Auf den Metallregalen lagerte angeschimmelter Tabak, der auch nach Jahren noch keine Käufer gefunden hatte.
    Waren, die sich nicht verkauften, wurden keineswegs weggeworfen, denn der Ladenbesitzer litt unter pathologischem Sammelzwang. Unfähig, sich von irgendetwas zu trennen, häufte er nutzlose und ausgediente Dinge an. Der unerträgliche Gestank wurde noch ergänzt durch den Schweiß der Lastenträger, alles Sawangs, die Säcke mit Mehl auf den Schultern trugen, unermüdlich hin und her liefen und sich dabei lautstark in ihrem eigentümlichen Idiom unterhielten.
    Eines Morgens waren Syahdan und ich an der Reihe, zu diesem Laden zu fahren. Wir stiegen aufs Fahrrad und verabredeten, dass Syahdan die erste Hälfte des Weges treten sollte, bis zum chinesischen Friedhof, während ich auf dem Gepäckträger saß. Von da an sollte ich dann übernehmen. Auf dem Rückweg wollten wir es genauso machen. Außerdem machten wir aus, bei jedem steilen Anstieg abzusteigen und das Rad abwechselnd zu schieben, jeder eine bestimmte Anzahl von Schritten.
    »Steigt erst mal ab, Majestät«, neckte mich Syahdan, als der erste Anstieg kam.
    Er war außer Atem, lachte aber über das ganze Gesicht und verbeugte sich wie ein Höfling. Syahdan freute sich über jede Aufgabe, die er übernehmen konnte, einschließlich des Blumengießens, wenn er auf diese Weise vom Unterricht befreit war. Kreide besorgen war für ihn wie kurze Ferien. Außerdem konnte er bei dieser Gelegenheit mit den jungen Ladenmädchen schäkern. Ich stieg missmutig ab. Ich hatte nichts übrig für seine Scherze.
    Bald gelangten wir zu einem niedrigen Gebäude in der Form eines Mondkuchens, in dessen Mitte hinter einer Glasplatte das Porträt einer jungen Frau angebracht war. Ringsherum hatten sich Tropfen von rotem Kerzenwachs abgesetzt. Das war der Eingang zu dem Friedhof, der die erste Etappe markierte. Damit war ich nun an der Reihe.
    Schlecht gelaunt stieg ich auf und trat halbherzig in die Pedale. Von der ersten Raddrehung an stieg die Wut in mir hoch, ich verfluchte diese Aufgabe, den miesen Laden und die dämliche Vereinbarung, die wir getroffen hatten. Ich schimpfte über die Fahrradkette, die viel zu stramm gespannt war und deswegen schwer ging. Ich haderte mit der Welt, die nie auf der Seite der Armen war, und ärgerte mich über den viel zu hohen Sattel. Syahdan war eine Last, obwohl er so klein und dünn war. Er dagegen genoss es, hinten zu sitzen, und pfiff den Schlager Semalam di Malaysia , »Eine Nacht in Malaysia«. Er scherte sich nicht um mein Gemeckere.
    Endlich waren wir am Fischmarkt angekommen, der sich am Flussufer befand, damit abends der gesamte Müll einfach in den Fluss gespült werden konnte. Allerdings lag das Gelände nur knapp über dem Meeresspiegel, was zur Folge hatte, dass bei starker Flut ganze Berge von organischem Abfall wieder angeschwemmt wurden und sich in den engen Marktgängen ausbreiteten. Wenn dann der Wasserstand wieder sank, blieb der ganze Müll an den

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