Die reinen Herzens sind
du gehst nach Hause und schläfst dich aus!«
»Daddy, wie soll ich schlafen, solange das Baby verschwunden ist? Ich bin eine halbe Stunde bei Lourdes Rodriguez gewesen und habe ihr nur die Hand gehalten. Sie hat geweint.« Ihre Stimme klang brüchig. »Es ist so verdammt ungerecht.«
Decker wandte sich an Marge: »Was hatte sie bei Lourdes zu suchen?«
»Ich bin zufällig ins Zimmer gekommen und habe sie dort gefunden.«
»Cindy …«
»Daddy, sie brauchte jemanden. Jemand anderen als einen Polizisten oder Reporter, Anwalt oder Krankenhausdirektor, der versucht, sie zu überreden, auf ihre Rechte zu verzichten.«
»Ich fasse es nicht.« Decker rieb sich die Augen.
»Wie wär’s, wenn ich einfach nur zusehe?«
»Zusehe? Wobei?« Decker sah auf die Uhr. »O Mann! Setz dich einfach hin, und rühr ja nichts an. Und hör auf, so dämlich zu grinsen. Wir sprechen uns später noch.«
Cindy versuchte eine ernste Miene zu machen. Sie setzte sich auf den weißen Hocker. Dann entdeckte sie die Katze. »Wer ist denn das?«
»Vermutlich Maries Katze. Sie war im Schlafzimmer eingesperrt und hatte Hunger.«
»Arme Kleine.« Cindy kraulte die Katze. »Können wir sie behalten?«
»Wir können sie in Pflege nehmen«, sagte Decker. »Sie kann bei den anderen Streunern im Stall Unterschlupf finden.« An Marge gewandt fuhr er fort: »Wenn der Anrufbeantworter hier richtig funktioniert, muß jemand vergangene Nacht hier gewesen sein, ihn abgehört und wieder vorgespult haben.«
»Könnte Marie selbst gewesen sein.«
»Könnte.«
»Was heißt das?«
»Ich bin nicht sicher. Hier deutet nichts auf einen hastigen Aufbruch hin. Ich wollte die Wohnung schon verlassen, da habe ich zwei Schlüssel gefunden, die mit Klebeband unter dem Schreibtisch befestigt waren. Dieser hier«, Decker hielt einen Schlüssel hoch, »gehört zu einem Staufach über ihrem Parkplatz in der Tiefgarage. Detective Snail hat nur eine halbe Stunde gebraucht, um es zu finden.«
Marge lächelte. »Und was war in dem Fach?«
»Eine Menge alter College-Skripte, Geschichte, Völkerkunde, Politik, Naturwissenschaften und eine Sammlung radikaler Schriften aus den Sechzigern.«
»Radikale Schriften?«
»Eldridge Cleaver, Malcolm X, Abbie Hoffman …«
»Hm, da scheint sich Marie aber sehr verändert zu haben«, sagte Marge. »Irgendwann muß sie eine Art Wiedergeburt erlebt haben.«
»Diese Veränderung ist anhand der Unterlagen gut nachzuvollziehen. Da waren auch eine Menge Schriften über vergleichende Religionswissenschaften und Texte von ostasiatischen Philosophen.«
»Von Gurus zu Jesus«, bemerkte Marge.
»Alle Religionen ähneln sich, wenn man mal über die Äußerlichkeiten hinausgekommen ist.«
»Was ist mit dem anderen Schlüssel?« fragte Marge.
Decker zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung! Sieht so aus, als gehöre er zu einer Kassette. Ich suche schon zwanzig Minuten und kann nichts finden. Ich habe eine Verabredung mit einer Paula Delfern. Sie ist Schwester am St.-Jerome-Krankenhaus. Sie wollte sich heute um drei Uhr mit Marie treffen. Keine Ahnung, wie die beiden zueinander stehen. Ich sollte um elf Uhr dort sein.«
»Dann bist du spät dran«, sagte Marge.
»Das weiß ich, Marge. Diese Paula könnte eine gute Informationsquelle für uns sein.«
»Soll ich hier weitermachen oder lieber mit Paula Delfern sprechen?«
»Übernimm du Miß Delfern«, entschied Decker. »Ich kenn mich hier schon besser aus. Dieser verdammte Schlüssel muß doch irgendwo passen!«
»Ich helfe dir, Dad«, sagte Cindy.
»Du, mein Fräulein, bleibst da sitzen und hältst den Mund!«
»Ist er nicht süß, wenn er den harten Mann spielt?« fragte Marge.
Decker mußte lachen. Er griff in die Tasche, holte ein paar Handschuhe heraus und warf sie Cindy in den Schoß. »Zieh sie an. Damit du mir meine Spuren nicht versaust.«
Cindy grinste und zog die Handschuhe an. »Spuren wovon?«
Darauf wußte Decker keine Antwort. Aber das behielt er für sich. »Irgendwelche Informationen gefunden, was Maries Blutgruppe betrifft, Marge?«
»Ja, aber es hilft uns nur bedingt weiter. Marie ist A Positiv und hat einen normalen Blutgerinnungsfaktor. Diese Daten stimmen mit dem Blut überein, das wir auf dem Parkdeck entdeckt haben. Allerdings ist A-Positiv eine häufige Blutgruppe.«
»Ja, ungefähr vierzig Prozent der Bevölkerung haben sie.«
»So ist es. Aber mehr steht nicht auf Maries Patientenkarte.«
»Weshalb war Marie im Krankenhaus?«
»Wegen einer
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